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Sprachgeschichte: Vom Indogermanischen zum Deutschen | heute: Mittwoch, 11.12.2024 | |
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Sprachgeschichte: Die Abstammung des DeutschenVom Indogermanischen zum DeutschenGeschichte der deutschen Sprache von den Anfängen bis zur Gegenwart |
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I. II. III. IV. V. |
Der indogermanische Ursprung der heutigen europäischen Sprachen Die Entstehung des Germanischen Die Gliederung der germanischen Sprachen Althochdeutsch und Mittelhochdeutsch Vom Frühneuhochdeutschen zur deutschen Gegenwartssprache Literaturhinweise |
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Englisch und Niederländisch sind unmittelbare Geschwistersprachen des Deutschen, die vier skandinavischen Sprachen Cousins, um im Familienbild zu bleiben. Aber auch fast alle anderen europäischen Sprachen gehören zur Verwandtschaft. Ein Teil der Ähnlichkeiten rührt natürlich daher, daß von den Nachbarn abgeschaut, daß immer wieder Wörter aus anderen Sprachen übernommen wurden. Die Entlehnung von Fremdwörtern kann aber nicht erklären, wie sehr sich auch die Strukturen, die Grammatiksysteme der europäischen Sprachen ähneln. Es ist tatsächlich so, auch wenn man das biologistisch nennen mag, daß die Übereinstimmungen größtenteils auf eine gemeinsame Wurzel zurückzuführen sind. Die Abstammungslehre der Sprachen läßt sich als ein Baum mit mehreren dicken Ästen und vielen kleinen Zweigen darstellen. |
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I. Der indogermanische Ursprung der
heutigen europäischen Sprachen
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Alle heute noch lebenden europäischen Sprachen sind - mit Ausnahme des Finnischen, des Ungarischen und des Baskischen - indogermanischen Ursprungs. Das heißt: Englisch, Italienisch, Griechisch, Deutsch und Russisch (um nur einige der größten zu nennen), gehen alle auf dieselben sprachlichen Wurzeln zurück. Außerhalb Europas gehören noch die Hauptsprachen des indischen Subkontinents (Hindi bzw. Urdu), das Armenische und das Persische der indogermanischen Sprachenfamilie an. Entdeckt wurde die Verwandtschaft um 1820 von dem Berliner Professor Franz Bopp. Um die ganze geographische Spannweite der Völker gleicher sprachlicher Abstammung in einen Begriff zu fassen, nannten deutsche Sprachwissenschaftler die vorausgesetzte Grundsprache "Indogermanisch" - nach den äußersten Grenzvölkern der Sprachgemeinschaft, den Indern im Osten und den Germanen, die schon am Beginn des Mittelalters westwärts bis nach Island vorgedrungen waren. Außerhalb Deutschlands hat sich in der Forschung der Ausdruck "Indoeuropäisch" durchgesetzt. |
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Wenn es einmal eine "indogermanische Sprache" gegeben hat, aus der sich zunächst die heute noch leicht erkennbaren Unterfamilien abgezweigt, dann nach und nach die Einzelsprachen entwickelt haben, so ist natürlich auch ein ursprüngliches Volk anzunehmen, das diese Sprache gesprochen haben muß. Für ein einheitliches Volk der "Indogermanen" gibt es aber keine archäologischen oder biologischen, erst recht keine schriftlichen Beweise. Die sprachlichen Befunde, welche als einzige auf ein indogermanisches Volk und seine Sprache hinweisen, lassen darauf schließen, daß selbst die sprachliche Gemeinschaft schon vor über 4000 Jahren, d.h. deutlich vor 2000 v.Chr. aufgegeben worden sein muß. Zu jener Zeit herrschte überall in Europa noch das geschichtslose Dunkel der Steinzeit, die Europäer waren eben erst von Jägern und Sammlern zu Bauern geworden, und selbst in Griechenland sollte es noch mehr als 1000 Jahre dauern, bis Menschen dort schreiben lernten. |
indogermanische Volksgemeinschaft
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Wissenschaftlichen Theorien des 19. Jahrhunderts zufolge waren die Indogermanen ursprünglich in Mittel- oder Südasien beheimatet, um von da aus zwischen 4000 und 1000 v.Chr. in mehreren, zeitlich weit auseinander liegenden Wellen nach Europa einzuwandern. Die zeitliche Abstufung würde erklären, wie aus einer gemeinsamen Ausgangssprache die späteren, deutlich unterscheidbaren Sprachfamilien entstehen konnten. Diese Annahme einer außereuropäischen Zuwanderung ist bis heute nicht klar widerlegt, jedoch siedeln neuere Erklärungsmodelle bereits die Ur-Indogermannen im östlichen Europa an, von wo aus sie sich allmählich bis in die äußersten Winkel des Kontinents verbreitet hätten. Wichtiger als zeitlicher Abstand wäre bei diesem Modell, daß die einzelnen indogermanischen Volksteile, die sich etwa nach Irland, Spanien oder Griechenland aufgemacht hätten, dort jeweils auf ganz verschiedene Vorbevölkerungen getroffen wären, mit denen sie sich assimilierten und zwangsläufig zu unterschiedlichen sprachlichen Synthesen gekommen wären. |
Herkunft der Indogermanen
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Ein biologisches Indiz läßt einerseits eine eher nördliche Herkunft der europäischen Indogermanen vermuten, andererseits deutet es auf ein sehr weites Zurückreichen der sprachlichen Gemeinsamkeit aller Indogermanen hin: Die heutigen europäischen Völker weisen als Gemeinsamkeit auf, daß sie relativ hellhäutig sind. Unsere Vorfahren müssen also über einen langen Zeitraum unter eiszeitlichen Bedingungen gelebt haben; denn nur extrem lange Winter, kurze Tage und sehr wenig Sonnenlicht können erklären, wie es zu der hochgradigen Depigmentierung der Haut kam, welche die Europäer von allen Menschen auf den anderen Kontinenten unterscheidet. Das bedeutet, die Trennung der asiatischen und europäischen Indogermanen könnte wesentlich früher geschehen sein, als die rein sprachlichen Konstrukte nachzuvollziehen erlauben. |
biologische Indizien
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Dennoch ist das indische Sanskrit neben dem Griechischen eine der ältesten schriftlich belegten Sprachen, die zum Vergleich herangezogen werden und durch die Franz Bopps Verwandtschaftstheorie letztlich bewiesen werden konnte. Der Beweis, daß Portugiesisch, Albanisch, Gälisch und Isländisch auf eine gemeinsame Wurzel zurückgehen, die wir "indogermanisch" nennen, beruht auf syntaktischen und semantischen Übereinstimmungen, die nicht zufällig sein können: Alle diese modernen Sprachen haben Strukturen untereinander und mit dem Sanskrit - das vor immerhin 2300 Jahren ausstarb - , mit dem Altgriechischen und sogar mit dem Hethitischen (um 1200 v.Chr. untergegangen) gemeinsam. Manche Wörter, die in mehreren indogermanischen Sprachen vorkommen, sind heute noch frappierend ähnlich. Und wie nahe sich die deutsche und die russische Grammatik sind, wird deutlich, wenn man sie mit der japanischen, einer indianischen oder afrikanischen Sprache vergleicht. Kategorien wie "Kasus" (Nominativ, Genitiv usw.), "Tempus" (Präsens, Präteritum) oder "Modus" (Indikativ/Konjunktiv) sind allen europäischen Sprachen vertraut - in außereuropäischen Sprachsystemen treten "Aktionsarten" oder "Tonfärbungen" an ihre Stelle. |
sprachliche Gemeinsamkeiten der
europäischen Sprachen
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Überzeugender noch als grammatische Argumente sind Wortvergleiche. Dabei ist zu beachten, daß Wortgleichheiten oder Ähnlichkeiten auf drei verschiedene Weisen begründet sein können: |
Gründe für Wortähnlichkeiten
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1. Zufälligkeit: Es ist natürlich möglich, daß zwei weit voneinander entfernte Sprachen, die geschichtlich nichts verbindet, zufällig ähnliche Wörter für dieselbe Sache hervorbringen. Das kann rein willkürlich geschehen oder auch in der Natur der Sache liegen, z.B. wenn ein Vogel wie etwa der Kuckuck durch ein Wort beschrieben wird, das lautmalerisch seinen Ruf nachahmt. Auch daß Kinder überall auf der Welt zuerst Wörter wie "Mama", "Dada" oder ähnliches produzieren, ist zwar kein reiner Zufall, sondern hat mit der physiologischen Artikulationsentwicklung von Kleinkindern zu tun, jedoch nichts mit einer Verwandtschaft ihrer Sprachen. |
zufällige Ähnlichkeit
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2. Beeinflussung: Wortähnlichkeit kann dadurch entstehen, daß Wörter aus einer Sprache in eine andere übernommen werden. Diesen Vorgang nennt man "Entlehnung". Lehnwörter werden meistens importiert, wenn es gilt, ein Ding zu benennen, das der eigenen Kultur oder Lebenswelt bisher fremd war. Neue Dinge brauchen einen Namen, und so wird mit der fremden Sache oft der fremde Name gleich mit eingeführt. Allerdings können Lehnwörter auch aus modischen Gründen in eine Sprache geraten und sogar einheimische Wörter verdrängen, wie es durch die Anglizismen in vielen modernen Sprachen geschieht. Auch durch Entlehnung entstandene Ähnlichkeiten haben natürlich nichts mit gemeinsamer Abstammung zu tun. |
Entlehnung
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3. Stammverwandtschaft: Viele Wörter in unseren heutigen Sprachen ähneln sich, ohne daß sie zwischen Nachbarsprachen ausgetauscht worden wären, und diese Ähnlichkeit ist auch nicht zufällig, sondern geht auf eine gemeinsame Abstammung zurück. Das betrifft naturgemäß nur solche Wörter, die für Begriffe stehen, welche schon zur Lebenswelt der Indogermanen gehörten: Wörter aus den Bereichen Familienleben, Haus- und Wildtiere, Pflanzen, Zahlen (bis 12), Pronomina. Diese Dinge waren vor 4000 Jahren schon bekannt, während für technische Erfindungen, politische Begriffe oder religiöse Abstraktionen später in den Einzelsprachen Wörter hinzuerfunden werden mußten. Im Zusammenhang mit der Indogermanistik interessiert hier nur der dritte Ähnlichkeitsgrund, die Stammverwandtschaft. |
Stammverwandtschaft
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Nun ist nicht zu erwarten, daß irgendwelche Wörter über tausende von Jahren stets gleich geblieben sind. Sprachen sind nicht statisch, sondern wie organische Gebilde verändern sie sich, verzweigen sich, entwickeln sich weiter oder sterben aus. Wenn keine Entwicklung stattfinden würde, gäbe es keine verschiedenen Sprachen, und alle Menschen auf der Erde müßten dieselbe Einheitssprache sprechen, jedenfalls wenn wir davon ausgehen, daß die Wiege der Menschheit in Afrika gestanden und sich der Mensch von dort aus über die anderen Kontinente ausgebreitet hat. Für sprachliche Veränderungen gibt es viele Gründe, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann. Mit Sicherheit ist aber einer der wichtigsten Gründe, daß Stämme und Völker sich trennen, daß Volksgruppen abwandern, in der neuen Heimat auf Bewohner anderer Sprachen treffen und sich vermischen, daß sie neue Dinge kennenlernen, denen sich ihre Sprache anpassen muß. So verästeln sich einheitliche "Hochsprachen" zunächst in Dialekte, aus denen letztlich neue Sprachen geboren werden. Solche Abkömmlinge werden selber wieder zu Hochsprachen, indem sie etwa zu machtpolitischem Einfluß gelangen oder schriftlich reglementiert werden. |
Entstehung neuer Sprachen aus
dem Indogermanischen
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II. Die Entstehung des Germanischen | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Die erste (germanische) Lautverschiebung | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Solange die Sprachen noch nicht kodifiziert waren, unterlagen sie einem ständigen Wandel, der teils willkürlich erscheint, teils aber auch durch bestimmte lautgesetzliche Regeln nachvollzogen und erklärt werden kann. So unterscheiden sich die germanischen Sprachen von den anderen Zweigen der indogermanischen Sprachenfamilie dadurch, daß bestimmte Konsonanten mehr oder weniger regelmäßig verändert worden sind. Dieser erste deutlich erkennbare Lautwandel, von dem Sprachwissenschaftler Jacob Grimm (1785 - 1863) "germanische Lautverschiebung" genannt, muß sich etwa zwischen 1500 und 200 v.Chr. allmählich vollzogen haben. Er betrifft die indogermanischen Verschlußlaute, das heißt jene Konsonanten, die 'explosiv' ausgesprochen werden, die nicht in die Länge gezogen werden können, nämlich die Lippenlaute b und p, die "Dentallaute" (Zunge berührt die Schneidezähne) d und t, die Rachenlaute g und k. Das bedeutet konkret: Wo im Indogermanischen - und in allen Sprachen, die nicht an der Lautverschiebung teilgenommen haben - ein b vorkommt, tritt im Germanischen ein p an die Stelle; aus ursprünglichem p wird f . Hier eine Übersicht über die wichtigsten Regeln der ersten Lautverschiebung (die idg. behauchten Explosiva "bh", "dh" usw. sind weggelassen): |
konsonantischer Lautwandel
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(Das Sternchen * bedeutet, dieses Wort ist nicht überliefert, sondern
sprachwissenschaftlich rekonstruiert.) |
Ausgliederung von Sprachenfamilien
aus dem Indogermanischen
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Die europäischen Unterfamilien des Indogermanischen |
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Bis in die Zeit um Christi Geburt waren in Europa außer dem Germanischen vier weitere sprachliche Zweige entstanden, von denen heute noch Nachfolgesprachen lebendig sind: |
Hauptgruppen
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1. Das Keltische beherrschte den Westen Europas, die britischen Inseln, Spanien, Frankreich, Süddeutschland. Bis auf wenige, zum Teil künstlich aufrecht erhaltene Reste in Irland, in der Bretagne und im Norden Schottlands ist die einstmals größte Sprachgruppe heute praktisch ausgestorben. Sie fiel zunächst römischen Invasionen, später der germanischen Eroberung Großbritanniens zum Opfer. |
Keltische Sprachen
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2. Im äußersten Süden etablierte sich das Italische mit seinen Hauptvertretern Etruskisch und Lateinisch. Von Italien aus verbreitete sich seit Julius Caesars Zeiten (100 - 44 v.Chr) die Sprache der Römer über halb Europa. Dank der römischen Eroberung und jahrhundertelangen Überfremdung Galliens, Spaniens und des Balkans gaben die dort lebenden Völker ihre eigenen Sprachen auf. Es entstanden vulgärlateinische Dialekte, aus denen sich im Mittelalter die romanischen Sprachen Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Französisch und Rumänisch entwickeln sollten. 1000 Jahre nach dem Untergang Roms setzten Portugiesen und Spanier die Ausbreitung des Romanischen fort, indem sie Südamerika und viele andere Teile der Welt eroberten. |
Romanische Sprachen
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3. Von den osteuropäischen Völkern wurde die Gruppe des Balto-Slawischen hervorgebracht. Da die Slawen erst zu Beginn des Mittelalters (wieder) massiv nach Europa eindrangen und damit verhältnismäßig spät in das Licht der Geschichte und der Schriftkultur traten, finden sich nicht vor dem 9./10. Jahrhundert schriftliche Zeugnisse ihrer Sprachen. Die baltischen Sprachen (Litauisch, Lettisch) sind sogar erst seit dem 16. Jahrhundert belegt. Das macht die Zurückverfolgung ihrer sprachlichen Entwicklung besonders schwierig. Das Slawische verzweigte sich in die Einzelsprachen Russisch, Polnisch, Tschechisch, Slowakisch, Bulgarisch, Slowenisch und Serbokroatisch. |
Balto-Slawische Sprachen
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4. Das Griechische stellt in zweierlei Hinsicht ein Unikat unter den europäischen Sprachen dar: Es ist von allen indogermanischen Tochtersprachen die am frühesten und weitaus am reichhaltigsten überlieferte - gleichzeitig hat Griechisch sich aber am wenigsten in Europa verbreitet, oder besser gesagt: es hat seine einstige weite Verbreitung in Südosteuropa nicht halten können. Mit dem Untergang des oströmischen Kaiserreichs von Konstantinopel war die Sprache auf ihr Stammland zurückgeworfen. |
Griechisch
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5. Als Kernland des Germanischen ist wohl der Süden Dänemarks oder der Norden Deutschlands anzusehen. Von da aus breiteten die Germanen sich nach Skandinavien und Island aus, im Süden über Deutschland, Österreich und Burgund. Einzelne ostgermanische Gruppen, von denen noch zu reden sein wird, eroberten zeitweise Italien, Spanien und Nordafrika, hinterließen dort aber nur geringe sprachliche Spuren und verschwanden selbst aus der Geschichte. Zukunftsweisender wurde die mehrmalige germanische Eroberung der britischen Inseln: im 5. Jahrhundert durch die Angelsachsen, im 8./9. Jahrhundert durch die Wikinger, zuletzt 1066 durch die (romanisierten) Normannen. In der Neuzeit sorgten die Engländer dafür, das Germanische über den ganzen Erdball zu verbreiten. Außer dem Englischen und dem Deutschen gehören Isländisch, Dänisch, Schwedisch, Norwegisch, Niederländisch, Afrikaans und Jiddisch der germanischen Sprachenfamilie an. |
Germanische Sprachen
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Urgermanisch und Gemeingermanisch | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Wie nun kam es dazu, daß sich im westlichen Ostseeraum eine Sprache entwickelte, durch die ihre Träger sich von den übrigen indogermanischen Sprachgruppen absetzten und die später "Germanisch" genannt werden sollte? Seit dem Beginn des 2. Jahrtausends v.Chr. begaben sich Abteilungen der indogermanischen Band- und Schnurkeramiker, die zusammenfassend auch "Streitaxtleute" genannt werden, von ihren mitteldeutschen Wohnsitzen aus auf den Weg nach Norden. In Norddeutschland und Südskandinavien stießen sie auf Vorbevölkerungen, die wir aufgrund von Bodenfunden als Träger der Megalithgräberkultur bzw. als "arktische" Urbewohner kennen. Mit diesen nicht-indogermanischen Gruppen fanden zunächst wohl heftige Kämpfe, mit der Zeit aber auch Vermischungen und schließlich völlige Verschmelzungen statt. Es sprechen mehrere Faktoren dafür, daß erst aus diesem Zusammenwachsen der "prä-germanischen" Streitaxtleute mit nordischer Urbevölkerung das spezifisch Germanische entstand: Da ist zunächst das besondere Aussehen der Germanen - hoher Wuchs, blonde Haare, sehr helle Hautfarbe - , das später von römischen und griechischen Ethnographen vermerkt wurde. Aus archäologischer Sicht verschwinden die Verschiedenheiten, durch die Zuwanderer und Vorbevölkerung zuvor kulturell auseinanderzuhalten gewesen waren. |
"prä-germanische"
Streitaxtleute
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Die deutlichsten Beweise für fremdes "Substrat"
sind aber in sprachlichen Befunden zu sehen: In der für alle späteren
germanischen Sprachen typischen Stammsilbenbetonung und in der Tatsache,
daß sich ein Drittel des germanischen Wortschatzes nicht auf indogermanische
Abstammung zurückführen läßt. Neu hinzugewonnene Wörter
häufen sich in den Bereichen Seefahrt und Kriegswesen, sind jedoch
auch in Begriffskreisen zu finden, welche den Gesellschaftsaufbau und die
Landwirtschaft beschreiben. Einige Beispiele: Schwert, Krieg, Segel, Strand,
Mast, Volk, Adel, König, Weib, trinken, Pflug. Bei all diesen Wörtern
(und vielen anderen) gibt es keine verwandtschaftlich bedingte Ähnlichkeit
zu den entsprechenden Wörtern in romanischen, slawischen oder keltischen
Sprachen. Daß die in den Ostseeraum gewanderten Streitaxtleute besonders
viele Wörter, die mit dem Meer und dessen Nutzung zu tun hatten, von
der dortigen Vorbevölkerung übernahmen, weist interessanterweise
aber noch einmal auf die frühere indogermanische Gemeinsamkeit zurück:
Die Indogermanen waren offensichtlich keine Küstenbewohner gewesen.
Denn auch an den ältesten Überlieferungen des Griechischen ist
feststellbar, daß Begriffe für die Schiffahrt, einzelne Fischsorten
usw. zunächst gefehlt haben. |
Entstehung des Urgermanischen
durch Sprachmischung
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Der Verschmelzungsprozeß im Norden Europas war zwischen 1200 und 1000 v.Chr. abgeschlossen. Die darauf folgende Periode bis etwa 200 v.Chr., in welcher in Skandinavien, Jütland und in der Nordhälfte Deutschlands, vom heutigen Belgien im Westen bis in den baltischen Raum eine ziemlich einheitliche Sprache gesprochen worden sein muß, bezeichnet man als die Zeit des "Urgermanischen". Dieser etwas mythische anmutende Name repräsentiert eine Sprachstufe, für die wir noch praktisch keine schriftliche Belege besitzen - die Germanen schrieben selber nicht, und in das Gesichtsfeld römischer Historiker traten sie erst seit dem 2. vorchristlichen Jahrhundert. Daß man die sich anschließenden vier- bis fünfhundert Jahre bis ca. 200 oder 300 n.Chr. die "gemeingermanische" Zeit nennt, ist damit zu erklären, daß wir hier bereits sprachliche Überlieferungen vorliegen haben, diese aber nicht ausreichen, um schon bedeutende dialektale Differenzierungen innerhalb des weiten germanischen Sprachraums erkennen zu können. Man geht deshalb davon aus, daß sich in der Zeit um Christi Geburt noch alle Germanen auf der Basis einer gemeinverständlichen Sprache miteinander unterhalten konnten. Jedenfalls dokumentieren die von römischen Geschichtsschreibern der späten Republik und frühen Kaiserzeit (Caesar, Plinius der Ältere, Tacitus) überlieferten Bruchstücke, die immer zahlreicher werdenden Runeninschriften und die Personennamen einen noch weitgehend einheitlichen Lautstand, insbesondere was die noch nicht vollzogene zweite Lautverschiebung angeht, von der noch zu reden sein wird. |
"gemeingermanisches"
Zeitalter
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Wenn wir von "Germanisch" sprechen, so meint das übergreifend die Sprache der germanischen Stämme von 1000 v.Chr. bis etwa 200 nach Christus. Mit Beginn der Wanderungen von Goten und Wandalen nach Süden gerät die gesamte Germania in Bewegung, es werden Gruppierungen innerhalb der germanischen Gemeinschaft erkennbar, deren Auseinanderdriften in eine Reihe von Einzelsprachen mündet. |
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III. Die Gliederung der germanischen Sprachen | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Schon in Tacitus' berühmtem Werk "De origine et situ Germanorum" ("Germania", um 100 n.Chr.) finden wir die Einteilung der Bewohner Germaniens in Nord-, Ost- und Westgermanen. Sie wurde von späteren Historikern und Sprachwissenschaftlern übernommen, und bis heute ist diese Gliederung in sprachgeschichtlichen Handbüchern üblich. Zwar hat die Dreiteilung in der Völkerwanderungszeit nachträglich eine gewisse historische Rechtfertigung erhalten, doch kann sie so von Tacitus nicht gemeint gewesen sein: Da die skandinavischen Germanen zu seiner Zeit den Römern noch kaum bekannt waren, bezog sich seine Gliederung nur auf die südlichen, in Deutschland ansässigen Stämme, und hier mehr auf die kultisch-politischen als auf die sprachlichen Verhältnisse. In sprachgeschichtlicher Hinsicht wäre es sinnvoller, von Nordgermanen und Südgermanen zu sprechen. Um die Linie der germanistischen Tradition in dieser Überblicksdarstellung nicht zu verlassen, möchte ich dennoch an der sogenannten taciteischen Dreiteilung festhalten. Dabei machen wir uns aber klar und behalten im Hinterkopf, daß die Ostgermanen und das Ostgermanische eigentlich eine Abspaltung des Nordgermanischen sind, die für einige hundert Jahre ein allerdings beachtliches Eigenleben geführt haben, bevor sie dann fast spurlos vom Erdboden verschwunden sind. Das Bemerkenswerteste: Es ist unter allen Einzelsprachen im Gefolge des Gemeingermanischen eine ostgermanische, die am frühesten und am weitaus besten belegt ist - das Gotische! |
Tacitus' Einteilung der Germanen in drei Gruppen
Alle germanischen Sprachen in graphischer Übersicht |
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Nordgermanisch | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Von dem römischen Schriftsteller Plinius d.Ä. (23 - 79 n.Chr.) wurden die nordgermanischen Völkerschaften unter dem Begriff "Illeviones" zusammengefaßt. Angesichts der geographischen und kulturellen Ferne Skandinaviens wundert es nicht, daß sonst - als Einzelstämme - in der zeitgenössischen Literatur kaum mehr als die Sviones (= Schweden, bei Tacitus) und die Gauten (= Goten, bei Ptolemäus, 100 - 180 n.Chr.) erwähnt werden. Analog zu dieser dürren Informationslage finden sich erst spät Texte, welche die Sprache der Nordgermanen dokumentieren: Runeninschriften ab dem 5. Jahrhundert, nach 1000 auch literarische Texte und Urkunden. Die Sprachepoche von 200 n.Chr. bis zum Ende der Wikingerzeit (um 1000) wird "Altnordisch" genannt, wobei es bereits möglich ist, zwischen Westnordisch (Norwegisch/Isländisch) und Ostnordisch (Dänisch/Schwedisch) zu unterscheiden. Allerdings ist auch bezeugt, daß die Wikinger noch der Ansicht waren, sie sprächen eine einzige gesamtskandinavische Sprache. Es scheint, daß das Altnordische während der Völkerwanderungszeit starken westgermanischen Einflüssen ausgesetzt war; seit der frühen Wikingerzeit ging dieser Einfluß zurück, und an ihrem Ende hatte sich der Spieß beinahe umgedreht, indem nun die Skandinavier im Zuge ihrer britischen Eroberungen Teile des nordischen Wortschatz zu den westgermanischen Angelsachsen exportierten. |
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Seit dem 11. Jahrhundert ist in Island eine Entwicklung festzustellen, wie sie 200 Jahre zuvor schon in England und Deutschland stattgefunden hatte: Der Einzug des lateinischen Schriftsystems, mit der Christianisierung des Landes einhergehend, versetzte schriftkundige Gelehrte (die meistens sogar Geistliche waren) in die Lage, alte germanische Volkssagen und Lieder in der Landessprache niederzuschreiben. Im selben Moment, da die heidnischen Stoffe aus religiösen Gründen eigentlich hätten verschwinden sollen, wurden sie in letzter Minute für die Nachwelt gerettet, indem die neue Ideologie eben außer ungeheuerlicher Intoleranz auch die notwendigen Mittel mitbrachte, alte Mythen und Geschichten festzuhalten. Und es fanden sich, bei den Angelsachsen, den Franken, den Sachsen und den Isländern, traditionsbewußte Schreiber, welche sich dieser Aufgabe annahmen. Das besondere an der isländischen Literatur- und Sprachgeschichte ist, daß das Christentum aufgrund eines Beschlusses der Volksversammlung eingeführt wurde, nicht mit Gewalt. Dieser eher freiwilligen Unterwerfung unter das dumpfe Gebot der "Heiligen Schrift" verdanken wir die reichhaltige Überlieferung von germanischer Kultur, die im hohen Mittelalter sonst nirgendwo in Europa mehr zu finden gewesen wäre. |
Isländisch
Textprobe Altisländisch |
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Aber nicht nur der Großtat wegen, die literarischen Stoffe der Völkerwanderungszeit für alle Zeiten bewahrt zu haben, ist das Island des 11. bis 14. Jahrhunderts das gelobte Land für die historische Germanistik: Auch die Sprache der norwegischen Kolonisten Islands stand - und steht in Gestalt des Neuisländischen! - dem antiken Germanentum so nahe wie sonst keine heute noch gesprochene germanische Sprache. Die isolierte, weit abgeschlagene Insellage und das damit verbundene höchst eigenständige Kulturbewußtsein der Isländer (und Färöer) haben es ermöglicht, einen einmalig archaischen Sprachzustand bis in den Gegenwart zu bewahren. Durch die Kalmarer Union von 1397, mit der alle nordischen Königreiche unter der Krone Dänemarks vereinigt wurden, gerieten auch Island und die Färöer Inseln unter den Einfluß der Dänen - im Unterschied zum übrigen nordgermanischen Raum aber nur in politischer, nicht in sprachlicher Hinsicht. |
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Unter dem Eindruck der bis 1814 währenden dänischen Herrschaft paßte sich die Sprache der Norweger, die bis ins 14. Jahrhundert mit dem Altnordischen bzw. Altisländischen praktisch identisch gewesen war, fast vollständig der dänischen Amtssprache an, die ihrerseits über Jahrhunderte stark der hansisch-niederdeutschen Sprache, seit dem 17. Jahrhundert sogar dem hochdeutschem Einfluß unterworfen war. Obwohl Norwegen auch nach der Loslösung von Dänemark noch keine staatliche Unabhängigkeit erlangte, sondern nun für ein Jahrhundert unter schwedischer Herrschaft stehen sollte (bis 1905), setzte im 19. Jahrhundert ein regelrechter Kampf um eine neue nationalsprachliche Identität ein. Dieser Kampf ist immer noch nicht entschieden, sodaß heute zwei norwegische Dialekte nebeneinander bestehen: die dem Dänischen sehr ähnliche Reichssprache (riksmaal oder bokmaal) und das konservativere nordwestnorwegische Neu-Norwegisch (nynorsk oder landsmaal). |
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Von den insgesamt 5000 erhaltenen germanischen Runen-Denkmälern gehören rund 3000 nach Schweden. Die ältesten stammen aus dem 9., die jüngsten aus dem 19. Jahrhundert. Damit dürfen die Schweden den Ruhm für sich in Anspruch nehmen, am hartnäckigsten dem Christentum widerstanden und am längsten an originär germanischen Kulttraditionen festgehalten zu haben. In dem Zusammenhang ist bemerkenswert, daß in Schweden eine um 8 Zeichen verkürzte Version des Futhark, des germanischen Runenalphabets, verwendet wurde. Mit dem beharrlichen Festhalten an der Runenüberlieferung hängt vielleicht zusammen, daß die altschwedische Sprache erst rund 100 Jahre nach den ersten isländisch-norwegischen Texten auch in lateinischen Buchstaben auftritt. |
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Zur Zeit der Kalmarer Union geriet Schweden wie Norwegen unter starken sprachlichen Einfluß der dänischen Vormacht. Zusätzlich ist, wie überall im spätmittelalterlichen Skandinavien, eine Überfremdung durch die norddeutsche Handelssprache zu verzeichnen. In Schweden dauerte die dänische Herrschaft allerdings nur bis 1523, und zur gleichen Zeit sank auch der Stern der niederdeutschen Hanse. Schweden stieg unter der neuen Wasa-Dynastie selbst zur politisch-militärischen Großmacht auf. Das führte zu einem erhöhten nationalen Sprachbewußtsein, das aber von einer auf Luther basierenden, mit vielen deutschen Wörtern und Wortbildungsmechanismen durchsetzten Bibelübersetzung, die sich sehr prägend auswirken sollte, bald wieder konterkariert wurde. Immerhin war es ein schwedischer Sprachwissenschaftler, der 1769 zum ersten Mal die Verwandtschaft aller germanischen Sprachen untereinander aufzeigte. Heute unterscheidet sich Schwedisch von den anderen skandinavischen Sprachen vor allem durch seinen ungewöhnlich temperamentvollen, musikalischen Klang und dadurch, daß die Umlaute wie im Deutschen dargestellt werden, nicht mit dem dänisch-norwegischen ø und æ. |
Kalmarer Union Textprobe Neuschwedisch |
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Dänemark darf als das Stammland allen Germanentums gelten. Von hier aus verbreitete sich das aus der Verschmelzung mit den Megalithgräberleuten entstandene neue Volk über Skandinavien und Deutschland, hier nahm die erste germanische Invasion ins römische Reich ihren Anfang, der transalpine Zug der Kimbern und Teutonen nach Südfrankreich und Italien. Dänen waren auch die Hauptvertreter der Wikingerzeit, die Eroberer Großbritanniens (wo sie viele sprachliche Spuren hinterließen), die Heimsuchung des Frankenreichs im 9. Jahrhundert und die Gründer der legendären Handelsstadt Haithabu. Sprachgeschichtlich treten sie unter den Nordgermanen als erste hervor, durch die frühesten Runeninschriften Skandinaviens im 5. Jahrhundert. Dank jahrhundertelanger Herrschaft über große Teile Nordeuropas wurde die dänische Amtssprache im Hochmittelalter zur normativen Kraft in Norwegen und Schweden. Seit Dänemark im 16. Jahrhundert von Schweden als bestimmende nordische Großmacht abgelöst wurde, zeigt das Dänische die ausgeprägteste Tendenz zur Modernisierung, zur Reduzierung der grammatischen Formen. So ist Dänisch heute die "abgeschliffenste", die syntaktisch einfachste von allen germanischen Sprachen. Da Dänemark als einziges skandinavisches Land einen Teil des früheren Kolonialbesitz bewahren konnte, wird seine Sprache bis heute außer im Mutterland als Amtssprache noch in Grönland und auf den Färöern verwendet. |
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Ostgermanisch | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Das sogenannte Ostgermanische ist ein Oberbegriff für die Dialekte der nordgermanischen Stämme, die ihre skandinavische Heimat verlassen und sich auf dem Gebiet des heutigen Ostdeutschlands und Polens ansiedelt hatten. Die Wanderung war innerhalb jener 400 Jahre geschehen, die man "gemeingermanische Zeit" nennt. Nicht für alle Stämme, die den Ostgermanen zugerechnet werden, läßt sich die Heimat genau bestimmen. Sicher ist aber, daß die Wandalen und die Goten ursprünglich aus Schweden stammten. Außer ihnen gehören die Burgunder, Rugier und Heruler zur Gruppe der Ostgermanen. Auf die Herkunft der Goten verweisen noch heute die geographischen Namen Göteborg, Gotland und viele andere. Die Rugier haben der pommerschen Insel Rügen ihren Namen gegeben. |
skandinavische Herkunft
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Von den Sprachen dieser Stämme ist als einzige die der Goten hervorragend belegt. Schon um 350, nachdem sich die Goten in Ost- und Westgoten geteilt und jene sich am Nordufer, diese an der Westseite des Schwarzen Meeres (daher eben "West"-Goten) niedergelassen hatten, übersetzte der zum arianischen Christentum übergetretene Westgote Wulfila auf der Basis der griechischen Bibel vier Evangelien ins Gotische. Er verwendete dafür in der Hauptsache das griechische Alphabet, aber auch einzelne germanische Runenzeichen und lateinische Buchstaben. Dank der erstaunlichen Leistung Wulfilas können wir uns heute ein umfassendes Bild von der Gotischen Sprache machen, und zwar - zu diesem frühen Zeitpunkt! - von ihr als einziger germanischer Sprache überhaupt. Altenglische und althochdeutsche Quellen setzen erst im 8. Jahrhundert ein, altnordische, wie oben dargelegt, noch viel später. Damit stellt die Kenntnis des Westgotischen einen unschätzbaren Pfeiler dar, auf dem die Rekonstruktion des Gemeingermanischen, vor allem aber auch des Urnordischen ruht. Zusätzlich zur Bibelübersetzung sind einige kürzere gotische Texte überliefert, die aus der Herrschaftszeit der Ostgoten über Italien stammen. |
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Obwohl die Wandalen in der Geschichte eine ebenso spektakuläre Rolle wie die Goten gespielt haben und die burgundischen Könige von allen Germanen am stärksten in die deutsche und skandinavische Mythologie eingegangen sind, kennen wir von ihren Sprachen kaum mehr als einige Personennamen. Da sie wie die Goten aus Schweden stammten und auch im osteuropäischen Raum lange Zeit benachbart zu ihnen gelebt haben, da wir weiterhin wissen, daß in der Völkerwanderungszeit ein reger Austausch zwischen den Königshäusern der Ostgoten, Westgoten, Wandalen und Burgunder stattgefunden hat, ist anzunehmen, daß die Sprachen sich ziemlich ähnlich waren. Die westgotische Bibel wurde auch von den Ostgoten und Wandalen verwendet. |
Wandalen
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Mit dem Untergang der ostgermanischen Königreiche in Italien, Nordafrika, Frankreich und Spanien sind auch die Sprachen dieser Völker am Ende der Spätantike verschwunden. Da sich die Germanen überall in hoffnungsloser Unterzahl befanden, assimilierten sie sich sprachlich an die romanische Bevölkerung, nachdem sie die Herrschaft verloren hatten. Allein vom Gotischen erhalten wir noch einmal eine winzige Nachricht, und zwar über 1000 Jahre nach dem Niedergang der ostgermanischen Reiche: Im 16. Jahrhundert wurden Nürnberger Kaufleute mit ihrem Schiff durch einen Sturm auf die Schwarzmeerhalbinsel Krim verschlagen. Dort trafen sie auf einen einheimischen Mann, der ihnen zu ihrer Überraschung auf "Deutsch" habe antworten können. Die letzten ostgotischen Sprachreste auf der Krim sollen erst im 18. Jahrhundert verstummt sein. |
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Westgermanisch | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Was man traditionell als Westgermanisch bezeichnet, ist im Grunde die Sammlung der Sprachen aller südgermanischen, also nicht in Skandinavien beheimateten oder von dort abgewanderten Stämme. Es gibt in der Sprachwissenschaft eine Reihe verschiedener Meinungen, wie innerhalb dieser größten germanischen Sprachengruppe weiter zu differenzieren sei. Eine schematische Darstellung, die im wesentlichen auf dem Modell von Friedrich Maurer (1898 - 1984) beruht, finden Sie auf der Seite Die germanischen Sprachen im historischen Überblick. Im Gegensatz zu jener genaueren Einteilung möchte ich an dieser Stelle nur zwischen Nordseegermanen und Südgermanen unterscheiden, um das wichtigste Trennungsmerkmal deutlich herauszuheben. Von der ersten, der germanischen Lautverschiebung, durch welche das Germanische sich im letzten vorchristlichen Jahrtausend vom Indogermanischen schied, war schon die Rede. Hier geht es nun um die zweite, die "althochdeutsche" Lautverschiebung. Wie der Name schon sagt, betrifft dieser Vorgang, der zwischen 500 und 700 n.Chr. stattgefunden hat, nur die deutsche Sprache, oder besser gesagt: jene südgermanischen Dialekte, die eben aufgrund der gemeinsam durchgemachten Lautverschiebung im Laufe des Mittelalters zur deutschen Sprache zusammenwachsen sollten. Es handelt sich um die Stammesdialekte, die in der schematischen Darstellung in die Gruppen Rhein-Weser-Germanisch (daraus später Thüringisch, Hessisch, Fränkisch) und Elbgermanisch (Bairisch, Alemannisch, Langobardisch) eingeteilt sind. Der Ausdruck "Elbgermanisch" rührt übrigens daher, daß die Alemannen und Bayern ursprünglich - wie die 568 nach Italien einfallenden Langobarden - an der mittleren Elbe saßen und erst in spätantiker Zeit nach Süddeutschland wanderten. |
Südgermanisch
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Die Sprache der am Meer und in der norddeutschen Tiefebene sitzenden
Stämme wird als "Nordseegermanisch" zusammengefaßt.
Ihnen ist gemeinsam, daß sie nicht an der zweiten Lautverschiebung
teilnahmen und also auch keinen Anteil an der Entstehung der deutschen
Hochsprache haben sollten. Die wichtigsten Volksgruppen hier sind im Norden
die Jüten und Angeln, weiter südlich (im heutigen Niedersachsen
und Westfalen) die Sachsen, im Westen die Friesen, südwestlich davon
die Niederfranken (die heutigen Flamen und Holländer). In den ostdeutschen
Raum stießen slawische Völker vor, seit die Ostgermanen von
dort abgezogen waren. Indem Abteilungen der schleswig-holsteinischen Angeln
und Jüten sowie der Sachsen seit dem 5. Jahrhundert nach Großbritannien
auswanderten, um dort das verwaiste Erbe der Römer anzutreten, gelangten
ihre Dialekte auch auf die andere Seite der Nordsee und verbanden sich
dort zum Angelsächsischen, das im Zuge seiner Verselbständigung
gegenüber dem kontinentalen Altsächsischen auch Altenglisch
genannt wird. Der Süden Dänemarks wurde dem nordischen Sprachraum
angeschlossen, indem skandinavische Stämme in das von den Jüten
freigegebene Land nachrückten. Im norddeutschen Raum entwickelte
sich das Altsächsische zum Mittelniederdeutschen und weiter zum heutigen
Platt- oder Niederdeutschen. Aus dem Altniederfränkischen wurde Mittelniederländisch,
daraus das jetzige Niederländisch in Holland und Belgien, mit einem
Ableger in Südafrika, dem burischen Afrikaans. |
Nordseegermanisch
Angelsächsisch Altsächsisch Altniederfränkisch Textprobe Altenglisch Textprobe Altsächsisch Textprobe Altniederfränkisch Textprobe Altfriesisch |
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Von beiden sächsischen Dialekten haben wir ausführliche Textproben vorliegen, aus England den berühmten "Beowulf" (8./9. Jh.), aus Sachsen den "Heliand" (um 840), daneben viele kleinere Sprachdenkmäler. Bei den anderen Vertretern des Nordseegermanischen ist die Quellenlage weniger günstig: Altniederfränkische Texte gibt zwar seit dem 9. Jahrhundert, jedoch nur sehr spärliche, und die altfriesische Sprache ist erst seit dem 13. Jahrhundert schriftlich überliefert. |
altenglische / altsächsische
Überlieferung
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Die zweite (althochdeutsche) Lautverschiebung | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Durch einen weiteren Lautwandel im Konsonantensystem setzten sich die Dialekte in der Südhälfte Deutschlands von den übrigen germanischen Sprachen ab. Mit der Verhärtung der stimmhaften Reibelaute v, ð und g (wie j) und der Erweichung stimmloser Verschlußlaute (Explosiva) zu Reibelauten oder Affrikaten (z.B. pf, tz) entstand ein Gegensatz der oberdeutschen und mitteldeutschen Mundarten nicht nur zu den nordgermanischen und ostgermanischen Sprachen, sondern innerhalb des Westgermanischen nun auch zu den nord- und westdeutschen Dialekten. Aus der Tatsache, daß das Langobardische (nach 500 ausgewandert) die Verschiebung mitgemacht hat, nicht aber die bald nach 400 endgültig aus Ostdeutschland weggezogenen Sprachen der Ostgermanen, ist zu folgern, daß der Lautwandel etwa um 500 begonnen haben muß. Beim ersten Auftauchen althochdeutscher Texte im 8. Jahrhundert ist er bereits weitgehend vollzogen. Daraus ergibt sich der Zeitraum von 500 bis 750, in dem die Verwandlung des Germanischen zum Althochdeutschen nur stattgefunden haben kann. Die Veränderungen waren auch in den betroffenen Gebieten nicht überall gleich, sondern man kann verkürzt sagen, je weiter südlich ein Dialekt beheimatet war, desto gründlicher hat sich die Konsonantenverschiebung ausgewirkt - am vollständigsten im Bairischen und Alemannischen. Die nachfolgende Tabelle gibt die auffälligsten Neuerungen der zweiten Lautverschiebung wieder: |
konsonantischer Lautwandel
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Die Ursachen der Lautverschiebung konnten von der Sprachwissenschaft bis heute nicht geklärt werden. Es scheint zwar einigermaßen festzustehen, daß sie für den deutschen Raum von Bayern ihren Ausgang nahm (da hier am weitesten durchgeführt), doch sind wohl Einflüsse von außerhalb vorauszusetzen. So wird als "Stammland" der Lautverschiebung von manchen Forschern der Bayern benachbarte Raum der Südalpen angenommen. Hier kommen als Initiatoren die Langobarden in Frage, möglicherweise aber auch ein Mischprodukt verschiedener ost- und südgermanischer Sprachen, die am Ende der Ostgotenherrschaft in Norditalien zusammentrafen. Die Tatsache aber, daß von anderen Germanisten mal die Alemannen, mal die Franken oder die Schwaben als Urheber angesehen werden, macht deutlich, wie offen diese Frage in Wirklichkeit ist. |
Urheber der Lautverschiebung
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Man darf sich die Entwicklung nun nicht so vorstellen, als habe sich ein Alemanne urplötzlich nicht mehr mit einem Niederfranken oder Sachsen verständigen können. Die Veränderungen trugen sich allmählich zu, wurden teilweise auch weitergegeben und nachgeahmt; die frühen althochdeutschen und altsächsischen Schriften zeigen, daß es gegenseitige Beeinflussung in verschiedenen Richtungen gab. Es ist ja auch heute, über 1500 Jahre nach der Auffächerung der germanischen Sprachen, nicht so, daß etwa das Niederländische, das Englische oder Schwedische für einen Deutschen ganz und gar unverständlich wäre. Zumindest dann, wenn man einen Text in einer benachbarten germanischen Sprache schriftlich vor sich liegen hat, wird man feststellen, daß sich ein großer Teil des Sinns verstehen läßt, auch wenn man diese Sprache nicht regelrecht gelernt hat. Das wäre sicherlich anders, wenn die Sprachen nicht schriftlich fixiert worden oder die kulturellen Kontakte zwischen den Völkern vollständig abgebrochen wären. Die Auseinanderentwicklung wäre gründlicher und rascher gegangen, wenn die Geschwindigkeit sprachlicher Veränderungen nicht durch die im Frühmittelalter einsetzende Schriftlichkeit gebremst worden wäre. Tatsächlich aber standen alle germanischen Völker in den letzten 2000 Jahren immer in stetigem Kontakt miteinander, und zwar nicht nur einzelne Träger der Sprachen, sondern über Literatur, Handelsverbindungen, religiösen Austausch und kriegerische Berührungen auch die Sprachen als solche. Dabei sind nicht allein einzelne Wörter weitergereicht worden - derartige sprachliche Einflüsse gibt es auch zwischen ganz unverwandten Sprachen - , sondern auch morphologische und syntaktische Strukturen. Ein Beispiel: Die skandinavischen Sprachen enthalten heute Vorsilben wie "er-", "be-", "ge-". Diese hatte es im Germanischen noch kaum gegeben, im Englischen sind sie weitgehend unbekannt, und auch das Altsächsische besaß sie ursprünglich nicht. Dennoch wurden sie von hansischen, Niederdeutsch sprechenden Kaufleuten nach Schweden und Dänemark getragen. Wie war das möglich? Das Niederdeutsche hatte sie vom Hochdeutschen aufgenommen. Auf diesem indirekten Wege wurde die Eigenart einer einzelnen Sprache auf andere übertragen, wodurch weit voneinander entfernte, sich eigentlich auseinanderlebende Sprachen wieder annäherten. Obgleich sicherlich die Ausstrahlung des Deutschen auf die germanischen Nachbarsprachen meistens größer war als umgekehrt, sind in vielen Fällen auch sprachliche Bereicherungen in der Gegenrichtung vorgekommen. |
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IV. Althochdeutsch und Mittelhochdeutsch | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Die Epoche des Althochdeutschen (750 - 1050) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Die mit der zweiten Lautverschiebung entstandene deutsche Sprache ist seit dem 8. Jahrhundert schriftlich bezeugt. Die Sprachstufe von hier an bis etwa 1050 heißt "Althochdeutsch". Dabei ist unbedingt zu beachten, daß für diese frühe Zeit der Ausdruck Hoch-Deutsch noch nicht gleichbedeutend ist mit "Standardsprache", sondern "hoch" ist wie Ober-Deutsch geographisch zu verstehen: Es sind die höhergelegenen, südlichen Regionen Deutschlands, deren Dialekte im Frühmittelalter in ihrer Gesamtheit das Deutsche repräsentieren. Althochdeutsche Texte erscheinen in bairischer, alemannischer Mundart sowie in den drei fränkischen Varianten Ostfränkisch (Würzburg, Fulda, Bamberg), Rheinfränkisch (Mainz, Worms, Weißenburg) und Mittelfränkisch (Köln, Trier). Der niederfränkische Raum - das eigentliche Stammland der Franken - und die Gebiete nördlich der Mittelgebirge gehören nicht dazu. Auch dort wurden zur selben Zeit Texte geschrieben, aber ihre Sprache gehört nicht dem Althochdeutschen an, sondern sie stellt als Niederdeutsch etwas Eigenes dar. Zu den Unterschieden, die sich durch die Lautverschiebung zwischen Nord und Süd ergeben hatten, kam im Verlauf der althochdeutschen Periode hinzu, daß in den süddeutschen Dialekten nun noch vokalische Veränderungen eintraten, die das Niederdeutsche ebenfalls nicht mitmachte. Auffallend ist zum Beispiel die Diphthongierung von germanischem langen ô zu uo (aus "bôk" wurde im Süden das "buoch" [Buch]). Die anderen Vokalwechsel, die sich zum Teil erst in mittelhochdeutscher Zeit durchsetzten, sollen hier nicht einzeln besprochen werden. |
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Die Schreiborte, d.h. die Produktionsstätten von Texten, waren fast immer Klöster. Das liegt natürlich daran, wie schon oben am Isländischen darstellt, daß Geistliche so ziemlich die einzigen Menschen waren, die in jener Zeit schreiben konnten. Vermittelt wurde ihnen diese Fähigkeit am Beispiel des Lateinischen und zu dem Zweck, religiöse Texte zu schreiben bzw. zu vervielfältigen, da ja die Druckmaschine noch lange nicht erfunden war. Bis weit in die Neuzeit hinein sollte in Deutschland weiter Latein geschrieben werden, zumal in der Kirche, die von Rom gesteuert war. Es gab aber einzelne Mönche, die ihre Schreibkunst auch dazu benutzten, kirchliche Texte in ihre Muttersprache zu übersetzen und sogar alte, vorchristliche Heldengeschichten und Zauberformeln aufzuzeichnen. Die literarische Tätigkeit in den Klöstern wurde von Äbten und anderen hochgestellten Geistlichen gefördert, deren Namen wir heute zum Teil noch kennen, doch die Initiative, überhaupt in großer Zahl Klöster zu errichten und diese zu Stätten auch der germanisch-deutschen Kulturpflege zu machen, kam von ganz oben: Karl der Große selber, seit 768 König der Franken, seit 774 auch der Langobarden und ab 800 Kaiser des Heiligen Römischen Reichs, gab den Auftrag, christliche Schriften - und christlich übertünchte nach heidnischen Stoffen! - in seiner und der Sprache seines Volkes zu verfassen. Obwohl er vermutlich selbst nicht schreiben konnte, gab er seiner Zeit ein Bildungsideal auf, das noch etwa 100 Jahre über seinen Tod hinaus nachwirkte. Um es zu verwirklichen, rief er angelsächsische, langobardische und westgotische Gelehrte an seinen Hof und vertraute ihnen die Leitung von klösterlichen Schreibstätten an. |
Schreibstätten
des Althochdeutschen |
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Wir dürfen für die Zeit Karls des Großen von einer wesentlich reicheren dichterischen und dokumentarischen Leistung ausgehen, als sie die Handschriften wiederspiegeln, die uns überliefert sind. Leider wurden viele Früchte des "Kulturprogramms" von Karls königlichen Nachfolgern zunichte gemacht: Sein Sohn, Ludwig der Fromme, war ein primitiver christlicher Eiferer, der offenbar dafür sorgte, daß viele Aufzeichnungen von Volkssagen und anderem germanischen Erbe zerstört wurden. Gleichzeitig scheint er nicht daran interessiert gewesen zu sein, die Klöster als Stätten von Kultur und Bildung zu erhalten. Im Ergebnis sind sehr viele Handschriften verschollen, und zwar gerade solche "unchristlichen" Inhalts. Daß es sie einst gegeben haben muß, beweist ein Hinweis von Einhart, dem Biographen Karls des Großen, mehr noch das Wiederaufleben der Heldendichtung um 1200 in Deutschland und Island. Die Dichter der "Edda", des "Nibelungenlieds" und der "Kudrun" müssen Quellen gehabt haben, um ihre monumentalen Werke schreiben zu können. Außer der gezielten Zerstörung ist mit einem zweiten Faktor zu rechnen, wodurch wertvolle Handschriften verlorengegangen sind: Das Beschreibmaterial, aus Tierhäuten hergestelltes Pergament, war sehr teuer. So wurde es oftmals wiederverwendet, indem man ältere Texte, die man nicht mehr verstand oder für unwichtig hielt, von der Oberfläche wegkratzte. Auch wurden Textblätter miteinander verklebt, um daraus Einbände für neue Bücher herzustellen. Manchmal sind Bruchstücke von uralten Abschriften, von römische Autoren wie von althochdeutschen Werken, in Buchdeckeln späterer, weit wertloserer Bücher gefunden worden. Am Ende des 9. Jahrhunderts, als die Dynastie der Karolinger in Deutschland vor dem Erlöschen stand, versiegte auch der bis dahin ziemlich reichliche Strom der althochdeutschen Literatur. Aus karolingischer Zeit sind uns verhältnismäßig viele und lange Texte erhalten, aus dem 10. Jahrhundert fast nichts. (Welche Werke im einzelnen vorhanden sind, ist in der Übersicht "Althochdeutsche Sprachdenkmäler" im Bereich Sprachgeschichte nachzulesen.) Die universalistische, auf Italien gerichtete Politik der Ottonen sorgte dafür, daß man in Deutschland wieder fast ausschließlich lateinisch schrieb. |
Überlieferung althochdeutscher Texte | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Die mittelhochdeutsche Zeit (1050 - 1450) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Nachdem sich das westgermanisch-deutsche Sprachgebiet zu Beginn des Mittelalters auf dem Festland deutlich verkleinert hatte, indem die westfränkischen und langobardischen Bevölkerungen in Frankreich bzw. Italien romanisiert worden waren, dehnte sich das Deutsche in alt- und mittelhochdeutscher Zeit wieder erheblich aus. Im Osten eroberten deutsche Kolonisten Schlesien und Obersachsen (das heute so genannte "Sachsen"), Pommern und große Teile Preußens, teils für die niederdeutsche Sprache, teils für mitteldeutsche Dialekte. Im äußersten Südosten breitete sich das Bairische in die Ostmark aus, das spätere Österreich, und im Süden schlossen sich die meisten rätoromanischen bzw. ladinischen Völker dem deutschen Sprachraum an, sodaß innerhalb der heutigen Deutschschweiz nur noch kleine romanische Sprachinseln anzutreffen sind. |
Ausweitung des deutschen Sprachraums | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Nach einer etwa 100-jährigen Lücke finden wir im 11. Jahrhundert wieder eine größere Anzahl deutscher Sprachdenkmäler vor. Den Texten dieser Zeit ist teilweise bereits deutlich der Übergang zum Mittelhochdeutschen anzusehen, andere wirken dagegen noch recht altertümlich. So steht neben dem 1063 geschriebenen "Ezzo-Lied", das schon einen "modernen" mhd. Lautstand aufweist, das gleichzeitig entstandene, sprachlich aber viel konservativere "Hohe Lied " des Williram von Ebersberg. Wegen dieser Widersprüche, die natürlich auch mit Dialektunterschieden und Schreibgewohnheiten zu tun haben, läßt sich der Wechsel vom Alt- zum Mittelhochdeutschen nur vage in die Mitte des 11. Jahrhunderts datieren. Der Unterschied besteht hauptsächlich darin, daß beim Althochdeutschen unbetonte Nebensilben noch "volltonige" Vokale wie a, i und o besaßen, während diese im Mittelhochdeutschen zu e abgeschwächt oder solche unbetonten Silben gleich ganz verschwunden sind. Damit einhergehend, ist im Mhd. das Grammatik-System stark vereinfacht. Die meisten Endungen der Deklinations- und Konjugationsformen, die im Ahd. noch fast wie im Germanischen ausgebildet gewesen waren, sind vereinheitlicht oder geschwunden, so daß bei der Beugung der Substantive schon der Zustand erreicht wurde, wie wir ihn heute im Neuhochdeutschen haben. Der folgende Beispielsatz macht die wichtigsten Entwicklungen vom Ahd. zum Mhd. deutlich: |
Lautwandel vom Althochdeutschen zum Mittelhochdeutschen | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Bedingt durch die wesentlich zahlreicheren Textbelege, kann die Epoche des Mittelhochdeutschen innerlich genauer differenziert werden: Für die Zeit von 1050 bis 1170 spricht man von Frühmittelhochdeutsch. Mit der Blütezeit der höfischen Literatur kurz vor 1200 beginnt die Periode des "klassischen" Mittelhochdeutschen, sie stimmt in etwa mit dem geschichtlichen Begriff "Hochmittelalter" überein und wird bis 1300 oder 1350 angesetzt. Das Spätmittelhochdeutsche läßt man etwa bis 1450 dauern, danach geht die deutsche Sprache in das Stadium des Frühneuhochdeutschen über. Obwohl der Bestandteil hoch beim Wort "Mittelhochdeutsch" immer noch mehr auf die topographische Lage als auf das Entstehen einer einheitlichen Schriftsprache zu beziehen ist, ist doch zumindest in der klassischen Zeit eine gewisse Tendenz zur Normierung der Schreibweisen zu beobachten. Wenigstens im Schriftbild nähern sich die süddeutschen Dialekte einander an, auch wenn das gesamte Mittelalter noch weit von den neuzeitlichen Orthographieregelungen entfernt bleibt. Anders als die kirchlichen Schreiber der Frühzeit, waren die meisten Dichter des Hoch- und Spätmittelalters relativ beweglich, wechselten gelegentlich ihre Dienstherren, reisten im Land umher, waren persönlich miteinander bekannt. Das führte dazu, daß manche von ihnen offenbar bewußt darauf verzichteten, mundartliche Eigenheiten in ihre Texte einfließen zu lassen. In dem Maße jedoch, wie nach 1300 Rittertum und höfische Dichtung verfielen, verloren die oberdeutschen Literaturdialekte wieder ihre normierende Ausstrahlung auf die anderen deutschen Sprachräume. |
Periodisierung des Mittelhochdeutschen Textproben Mittelhochdeutsch |
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Zunächst (bis 1170) waren noch meistens Geistliche die Träger der deutschsprachigen Literatur gewesen, dementsprechend herrschten religiöse Themen vor. Das änderte sich mit dem Aufkommen der höfisch-ritterlichen Gesellschaftsideale im Gefolge der Kreuzzüge: Es sind nun fahrende Sänger, Ritter und andere weltliche Vertreter, die in deutscher Sprache schreiben, und statt lateinischer Vorlagen werden französische Romane bearbeitet. Wichtigster Stoff des 13. Jahrhunderts war die aus England stammende Legende von König Artus und seiner ritterlichen Tafelrunde. Daneben gibt es ein Wiederaufleben der Heldendichtung über Motive der germanischen Völkerwanderung, Minnelieder, Heiligenlegenden, Chroniken, politische Lieder, Rechtstexte - insgesamt eine unübersehbare, gegenüber der althochdeutschen Epoche gewaltig angewachsene Textproduktion. Es ist vor allem das Verdienst der Literaturblüte um 1200, daß das Deutsche seit dem 13. Jahrhundert die lateinische Sprache auch aus den Kanzleien mehr und mehr verdrängte. Die Kunst hatte es erreicht, daß sich immer größere Teile des Volkes auf die eigene Muttersprache besannen. Kaiser Ludwig IV. der Bayer (1314 - 1347) wies seine Schreiber an, Reichsurkunden hauptsächlich in Deutsch aufzusetzen. |
höfische mittelhochdeutsche Dichtersprache | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Mittelniederdeutsch und Mittelniederländisch | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Deutlich anders als im hochdeutschen Raum lagen die Verhältnisse in Norddeutschland. Trotz der gewaltsamen Christianisierung durch Karl den Großen hatten sich die Sachsen viel vom alten germanischen Stammesbewußtsein bewahrt. Indem nach der karolingischen Epoche eine sächsische Dynastie für ein Jahrhundert den deutschen König stellte, wodurch sich das politische Zentrum nach Norden verschob, hatten die Niederdeutschen auch keine Veranlassung, von ihrer hergebrachten Sprache abzugehen. Seit dem 12. Jahrhundert wurde die - aus dem Altsächsischen fortentwickelte - mittelniederdeutsche Sprache zusätzlich durch die Hanse gestützt. Je mächtiger dieser Städteverbund wurde, je weiter die reichen Lübecker, Hamburger und Rostocker Kaufleute mit ihren Handelsaktivitäten ausgriffen, desto wichtiger wurde ihre Sprache als universelle Verkehrssprache für den gesamten nordeuropäischen Raum - vom Einfluß des Niederdeutschen auf die Skandinavischen Sprachen ist schon die Rede gewesen. Auf dem Höhepunkt ihres Erfolges stellte die Hanse mit ihrer Hauptstadt Lübeck eine Militärmacht dar, die Nord- und Ostsee beherrschte und sich die Könige von Dänemark und Schweden unterwerfen konnte. Als es dann aber seit dem 16. Jahrhundert wirtschaftlich und politisch abwärts ging, war es sehr schnell auch mit der Behauptung des Niederdeutschen vorbei. Zwar wurde in Lübeck noch bis 1809 im Oberstadtbuch nur niederdeutsch geschrieben, doch das konnte nichts daran ändern, daß sich der Norden vom Ende des Dreißigjährigen Krieges an bis heute nach und nach völlig dem hochdeutschen Sprachraum angeschlossen hat. Als "Plattdeutsch" wird Niederdeutsch heute nur noch von den unteren ländlichen Volksschichten gesprochen, ansonsten in Volkstheatern und Schulfunk künstlich am Leben gehalten. |
Mittelniederdeutsch Textproben Mittelniederdeutsch Textprobe Neuniederdeutsch |
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Ohnehin war das Niederdeutsche nie im selben Maße eine Literatursprache wie das Hochdeutsche. Das kulturtragende Patriziat der Hansestädte interessierte erheblich weniger für höfische Ritterspiele und die sich darum rankenden Lieder und Epen, als dies der feudalistische Landadel im Süden Deutschlands tat. So schlägt sich das Mittelniederdeutsche hauptsächlich in Verträgen und anderen Gebrauchstexten, in Rechtsbüchern und Chroniken nieder. Der bedeutendste niederdeutsche Roman, "Reynke de Vos" (von Goethe später als "Reinecke Fuchs bearbeitet), eine großartige Satire auf den höfischen Ritterroman, erschien erst am Ende des Mittelalters, 1498, und zwar bereits als gedrucktes Werk. Die Minnedichter Heinrich von Morungen und Albrecht von Halberstadt schrieben, obwohl sie im Niederdeutschen beheimatet waren, ihre Lieder in hochdeutschen Reimen. Sich so dem kulturellen Übergewicht des Südens beugend, stellten sie sich gewissermaßen in die altehrwürdige Tradition, dem Hochdeutschen die Referenz zu erweisen. An dieser Stelle kann ich es mir nicht versagen, ein denkwürdiges Zitat des großen Germanisten Adolf Bach zu bringen (Geschichte der deutschen Sprache, 8. Aufl. 1962): "In dem überlieferten Text des Hildebrandsliedes hat wohl ein Niederdeutsch Sprechender, der kein Hochdeutsch konnte und besonders über die Bedeutung des Buchstabens 'z' sich um Unklaren war, im Kloster Fulda um 800 eine hochdeutsche Vorlage in grauenerregender Weise abgeschrieben." |
mittelniederdeutsche Literatur | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Während des gesamten Mittelalters gab es innerhalb des deutschen Reichs noch einen anderen Sprachraum, der abseits vom hochdeutschen Bereich stand: das Niederfränkische. Obwohl sprachlich und wirtschaftlich dem Norden Deutschlands näherstehend, nahm der niederfränkische Kulturraum aktiv am Import der französischen Literaturstoffe und sogar anregend an der literarischen Entwicklung Oberdeutschlands teil. Immerhin wurden zwei der frühen und damit stilbildenden höfischen Großwerke, der Aeneas-Roman und die Servatiuslegende, zuerst in niederfränkischem Dialekt geschrieben. Heinrich von Veldeke, der Autor beider Dichtungen, fungierte als Vermittler zwischen flämischer und hochdeutscher Literatur. Auch die hochmittelalterlichen "Reinaerde"-Geschichten, die dem Lübecker Autor von "Reynke de Vos" als Vorlage dienten, sind ursprünglich niederländisch. Ansonsten gilt Ähnliches wie für das Niederdeutsche: Die Sprache wurde viel in chronistischen und kaufmännischen Texten verwendet. Vom 11. bis zum 16. Jahrhundert heißt sie Mittelniederländisch, wurde aber von den Niederländern selber, im Sinne des germanisch-althochdeutschen thiudisk ("völkisch", "volkssprachlich"), dietsch oder duutsch genannt. Aus diesem Grunde lautet das englische Wort für die holländische Sprache heute noch Dutch (aus derselben Wurzel ist auch unsere Sprach- und Volksbezeichnung Deutsch abgeleitet). Ab dem 17. Jahrhundert, also seit der Herauslösung aus dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, sprechen die Holländer und Flamen Neuniederländisch, wobei die Belgier es schwer hatten, sich nach der kulturellen Katastrophe der Gegenreformation wieder der holländischen Sprachentwicklung anzuschließen. In Südafrika hat sich mit dem Afrikaans eine weitere germanische Sprache entwickelt, indem die weißen Siedler aus Holland, die Buren, ihre mitgebrachte niederländische Grammatik noch einmal deutlich vereinfachten. |
Niederländisch Textprobe Mittelniederländisch Textprobe Frühneuniederländisch Textprobe Neuniederländisch Textprobe Afrikaans |
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V. Vom Frühneuhochdeutschen zur deutschen Gegenwartssprache | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Den Übergang vom Mittel- zum Neuhochdeutschen kennzeichnen wiederum lautliche Veränderungen. Weil sich die meisten Neuerungen sehr ungleichmäßig, zeitlich stark versetzt und in manchen Dialekten auch gar nicht durchsetzten, nennt man die lange Phase des Übergangs, die ich von ca. 1450 bis 1650 ansetzen möchte, Frühneuhochdeutsch. In dieser Zeit gab es immer noch keine einheitliche hochdeutsche Sprache, aber sie war nun dabei, getragen von bewußt gestaltenden Autoren, sich einigermaßen zielstrebig zu entwickeln. Insofern bekommt das Wort "Hochsprache" einen neuen Sinn: Es bezeichnet im Neuhochdeutschen nicht mehr die Dialekte der hochgelegenen deutschen Länder, sondern es steht jetzt für eine ideelle Standardsprache. Die gibt es zwar bis heute im Mündlichen nach wie vor nur theoretisch, da Dialekte und mundartliche Färbungen immer noch existieren. Doch immerhin für das Schriftliche brachten es die Sprachgesellschaften und Schriftsteller des Barock bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts soweit, daß man sich über eine dichterische Sprachnorm weitgehend einig war, und zwar auf der Grundlage ostmitteldeutscher Dialekte (Thüringisch, Obersächsisch, Böhmisch, Schlesisch), die gewissermaßen einen Kompromiß zwischen dem niederdeutschen Sprachraum und dem Oberdeutschen darstellten. Wenn es nun immer noch Texte deutscher Autoren gab, die anderen Deutschen unverständlich waren, so lag das an Latinismen und eingeführten französischen Wörtern, nicht mehr am eigentlichen Deutsch, das da geschrieben wurde. Die Orthographie war allerdings auch im 18. und 19. Jahrhundert noch nicht klar geregelt. Erst seit 1901 (Rechtschreibreform und Herausgabe des "Duden") besitzen wir endlich eindeutige Rechtschreibregeln, die außer für Deutschland auch für die Schweiz und Österreich gelten - besser gesagt: wir besaßen ein sinnvolles Regelwerk, bis es durch die "Reform" von 1997 wieder zerstört worden ist. |
Problematik des Begriffs "Hochdeutsch" Textproben Frühneuhochdeutsch |
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Sprachliche Veränderungen im Neuhochdeutschen | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Welche Veränderungen traten im Spätmittelhochdeutschen und Frühneuhochdeutschen ein, was unterscheidet unser Gegenwartsdeutsch im wesentlichen sprachlich vom Mittelalter? Anders als bei den früheren Lautverschiebungen handelt es sich hauptsächlich um Wechsel im Vokalsystem. Die meisten ahd./mhd. Kurzvokale wurden zu Langvokalen gedehnt, aus "leben" (gesprochen wie "lebben") wird nhd. "lêben" (mit langem e), "varen" wird zu "fahren", wobei hier das h die neue Länge anzeigt; in das Wort "Friede" ist ein e als Längenzeichen eingeführt, nachdem das mhd. "fride" gedehnt worden war. Umgekehrt wurden an anderen Stelle alte Langvokale verkürzt. Auffälliger noch sind Monophthongierungen und Diphthongierungen: Im ersten Fall wird aus einem Zweifach-Laut (z.B. uo, üe) ein einzelner (u, ü), während im gegensätzlichen Fall sich z.B. ein langes einzelnes î in eine Verbindung aus zwei Vokalen verwandelt: ei oder ai. Doch auch im Konsonantismus sind einige Modifizierungen zu bemerken, die sich allerdings nur zum Teil auch schriftlich niedergeschlagen haben. Im Mhd. sagte man tatsächlich "spi(e)len" und "stad" (Stadt), deshalb wurden die Wörter so geschrieben. Bei der Schreibung ist es geblieben, obwohl wir heute "schpielen" und "Schtadt" sprechen, die Badener und Schweizer (Alemannisch) sogar "Kischte" und "Weschpe". Anders liegt der Fall bei den mhd. sl- , sm-, sn- und sw-Anlauten: Der lautliche Wechsel von s zu sch wurde frühmittelhochdeutsch auch auch ins Schriftliche eingeführt, so daß wir heute "schlafen", "schmecken", "Schnee", "schwimmen" sprechen und so auch schreiben. |
vokalischer und konsonantischer Lautwandel | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Die Neuerungen in der Grammatik sind eher geringfügig: Beim Verb ist in der 3. Person Plural das t weggefallen ("sie slafent" > "sie schlafen"); die meisten anderen Formen waren schon beim Übergang vom Althochdeutschen zum Mittelhochdeutschen aufgeben. Im Kasussystem hat nur noch der Dativ sein altes e verloren ("dem manne" > "dem Mann"), und der Genitiv scheint als solcher allmählich in Vergessenheit zu geraten, aber das ist eine Entwicklung der letzten Jahre, noch nicht des Frühneuhochdeutschen. Wie zu allen Zeiten, so drangen auch während der Periode des Neuhochdeutschen viele neue Wörter ein. Mit dem Niedergang der ritterlichen Gesellschaft ging der Einfluß des Französischen zunächst zurück. Dafür wurde in der Renaissance das Lateinische wieder stärker, was vor allem in der Bildung von latinisierenden Familiennamen seinen Ausdruck findet (der Dichter Andreas Greif nennt sich "Gryphius", der Arzt Theophrast von Hohenheim "Paracelsus"). Indem zum ersten Mal auch ein Bewußtsein für "richtiges Schreiben" aufkam, setzte sich allmählich die Interpunktion (Zeichensetzung) durch, und Substantive wurden neuerdings mit Großbuchstaben am Anfang geschrieben. Ein sehr weites Feld ist auch das Thema der Bedeutungsveränderung von Begriffen: Alte, vom Ahd. über das Mhd. überlieferte Wörter bekamen einen neuen Inhalt, indem sich ihr Sinn erweiterte oder verengte, oftmals auch verschlechterte: Das Wort "hübsch", abgeleitet vom hochmittelalterlichen "hövesch" (höfisch, den Idealen der ritterlichen Kultur entsprechend), bedeutete bald nur noch "schön aussehend". Umgekehrt weitete sich die "Ursache", zunächst nur "Anlaß für einen Streit" meinend, zu dem heutigen allgemeinen "Beweggrund" aus. Besonders zahlreich sind die Beispiele für Bedeutungsverschlechterung: So war die "dîerne" (Dirne) noch im Mittelhochdeutschen einfach nur ein junges Mädchen. Diese Bedeutung hat sie übrigens bis heute im bayerischen und niederdeutschen Dialekt behalten, während das Wort im Hochdeutschen mit "Prostituierte" gleichbedeutend ist. Hier eine kleine Übersicht über die wichtigsten Veränderungen hin zum Neuhochdeutschen: |
Grammatik und Wortschatz | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Anfänge der Entwicklung einer deutschen Standardsprache | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Um 1450 erfand der Mainzer Bürger Johannes Gutenberg die Kunst, Bücher zu drucken. Die Druckerpresse ermöglicht es, innerhalb von Wochen Texte in hunderten von Exemplaren herzustellen, wofür früher, wenn Mönche sie hätten mit der Hand schreiben sollen, Jahrzehnte gebraucht worden wären. Hatte es zuvor für die meisten Menschen keinen Sinn gehabt, überhaupt lesen zu lernen, da es kaum etwas zu lesen gab, so war mit einem Male die geschriebene Sprache breiten Bevölkerungsschichten zugänglich: Gedruckte Bücher, Flugschriften und Kirchenlieder wurden zu den ersten Massenmedien der Geschichte. Wegen der enormen Horizonterweiterung, welche die europäische Gesellschaft durch sie erfuhr, darf die Erfindung des Druckens als epochales Ereignis gelten, als eines der Scheidemomente zwischen Mittelalter und Neuzeit, gleichrangig neben der Reformation und der Entdeckung Amerikas. |
Erfindung des Buchdrucks | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Daß nun sehr viele lesekundige Deutsche dieselben Texte lasen, hatte natürlich auch auf die heraufziehende neuhochdeutsche Sprache große Auswirkungen: Was sich im hohen Mittelalter innerhalb einer kleinen, sehr elitären Literaturszene angedeutet hatte, konnte nun auf stetig sich verbreiternder Front durchbrechen - die Entstehung einer einheitlichen Sprach- und Schriftnorm. Der Wortsinn von "Hochsprache" verschiebt sich, der Begriff steht jetzt - wie oben schon erwähnt - für eine ideelle Standardsprache. Daß für das Schriftliche heute bestimmte Ausdrucksnormen und Schreibregeln gelten, dafür wurde der Grundstein gelegt, als gedruckte Texte im deutschen Sprachraum zu kursieren begannen und die Menschen dadurch an Schreibweisen gewöhnt wurden, die ihrem eigenen Dialekt durchaus wiedersprechen konnten. |
Grundsteinlegung für spätere Schriftsprache | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Da Druckschriften von Anfang an nicht nur Kulturgut waren, sondern vor allem auch eine Handelsware, lag es im geschäftlichen Interesse eines jeden Verlegers, daß die Texte von möglichst großen Bevölkerungsschichten, in möglichst vielen deutschen Landschaften gelesen wurden. In Konkurrenz zur süddeutsch geprägten kaiserlichen Kanzleisprache, die von Maximilian I. gefördert wurde, bemühte man sich deshalb zunehmend um eine gemeinverständliche deutsche Sprache. Bereits im 16. Jahrhundert entwickelten sich Frankfurt a.M. und Leipzig, wo heute noch die größten deutschen Buchmessen stattfinden, zu Zentren des Buchhandels. Neben diesen beiden mitteldeutschen Sprachregionen waren auch die Drucker der ostfränkisch sprechenden Städte Nürnberg und Bamberg an der Schaffung eines neuen lituratursprachlichen Standards beteiligt. |
Bücher als Träger der Sprache | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Eine besondere Rolle spielte die Bibelübersetzung Martin Luthers für die Entstehung des Neuhochdeutschen, insbesondere dafür, daß das Ostmitteldeutsche seine maßgebliche Autorität festigte und zur Grundlage einheitlicher Sprachregelungen wurde. Obwohl Luther selber aus dem nordthürigischen Raum stammte und dort wirkte, setzte er nicht einfach seinen heimischen Dialekt bei der Übersetzung um, sondern bemühte sich gezielt um eine möglichst ausgleichende Sprache und volkstümliche Ausdrucksweise. Indem er sich die kursächsische Kanzleisprache, die wegen ihrer weiten Verbreitung im Osten als eine Art "koloniale Durchschnittssprache" fungierte, zunutze machte und sie durch seine persönliche, höchst originelle Sprachkunst bereicherte, verhalf er ihr zu gesamtdeutscher Verbreitung. So war sein Werk zwar längst nicht der erste deutsche Fassung der heiligen Schrift, aber dadurch, daß sie praktisch überall im Lande verstanden wurde, die weitaus erfolgreichste. In ganz Deutschland waren um die Mitte des 16. Jahrhunderts rund 100.000 Exemplare einer wittenbergischen Ausgabe der Lutherbibel im Umlauf. Ihre Sprache wirkte über den hochdeutschen Raum hinaus: Als billig zu kaufendes Buch drang sie auch nach Norddeutschland vor und half bei der schleichenden Verdrängung des Niederdeutschen mit. Nicht im Hinblick auf die lautlich-formale Entwicklung, aber wegen seines stilistischen Gebrauchs darf Martin Luther als Schöpfer, als "Vater" der deutschen Sprache gelten. Noch in einer zweiten Hinsicht war sein Wirken für die deutsche Sprache bedeutsam: Im Zuge der Reformation gab er der protestantischen Kirche vor, daß die Gottesdienste nicht mehr auf lateinisch, sondern auf Deutsch abgehalten werden sollten. Um das Volk in die Zeremonie einzubeziehen, schuf er viele neue Kirchenlieder in deutscher Sprache, die noch heute in jedem evangelischen Gesangbuch zu finden sind. Wie vieles andere, wurde der Wechsel vom Lateinischen zum Deutschen bald von den Katholiken nachgemacht, und manche Lieder von Luther singt man heute auch in katholischen Kirchen. |
Martin
Luther Bibelübersetzung Kirchenlieder |
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Das Neuhochdeutsche seit dem 17. Jahrhundert | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Der endgültige Durchbruch zu jener Sprachstufe, die man Neuhochdeutsch nennt, geschah im 17. Jahrhundert. Spätestens für die Texte aus der Barockzeit brauchen wir keine Wörterbücher mehr, um sie zu verstehen. Wenn man davon absieht, daß wegen fehlender Rechtschreibregeln dieselben Wörter immer noch verschieden aussehen konnten und bei manchen Autoren dialektale Ausdrücke vorkommen, stellt man fest, daß sich am lautlichen Zustand der deutschen Sprache seit 1650 nicht mehr viel verändert hat. Dagegen ist der Wortschatz seit dem Zeitalter des Barock enorm bereichert worden, vor allem durch freie Übertragung französischer und lateinischer Begriffe ins Deutsche, aber auch durch erfinderische Neubildungen aus deutschen Wörtern. Beides, das Streben nach einer lautlich einheitlichen Hochsprache wie die Bereinigung von Fremdwörtern, ist Dichtern wie Martin Opitz (1597 - 1639), Friedrich von Logau, Paul Fleming, Philipp von Zesen und Andreas Gryphius (1616 - 1664) zu verdanken, von denen einige in der "Fruchtbringenden Gesellschaft" vereinigt waren, die sich die Pflege der deutschen Sprache ausdrücklich zur Aufgabe gemacht hatte. |
Barockdichter als Schöpfer des Neuhochdeutschen | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Allerdings setzte schon bald nach dem verheerenden Ausgang des 30-jährigen Krieges eine Gegenbewegung ein, die wieder gehäuft französisches Wortgut einführte: Unter dem Eindruck des "vorbildlichen" Versailler Absolutismus wurden Maitresse, Dame, Kavalier, galant und vieles andere aus dem Gesellschaftsleben in Deutschland heimisch, Fürsten nannten ihre Schlösser Sanssouci, Monrepos oder Solitude. Während sich das Lateinische nun auch aus den Wissenschaften allmählich zurückzog, gingen mehrere Höfe und Akademien dazu über, nur noch Französisch zu sprechen. Friedrich II. der Große von Preußen meinte mit Voltaire, Deutsch sei nur für Pferde und Soldaten eine geeignete Sprache. Indirekt hatte der französische Einfluß jedoch eine positive Nebenwirkung: Man bemühte sich im 18. Jahrhundert, den Franzosen auch das nachzumachen, daß sie eine einheitliche Schriftsprache mit festen Schreibregeln besaßen. So gewann im Deutschen das Schriftliche langsam die Oberhand über die Mündlichkeit, Schriftdeutsch wurde Standardsprache: "Sprich, wie du schreibst!" Diese Forderung war schon 1641 von Justus Schottel in der "Teutschen Sprachkunst" erhoben worden, setzte sich aber erst in der Zeit des Theater- und Sprachlehrers Gottsched (1700 - 1766) nachhaltig durch. |
französischer
Einfluß auf die deutsche Schriftsprache |
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Seit dem Ende des Siebenjährigen Krieges (1756 - 1763), erst recht nach der Auflösung des Heiligen Römischen Reiches und Abtrennung Österreichs (1806), hat sich das politische Gewicht innerhalb Deutschlands nach Norden verlagert. Brandenburg-Preußen wurde zur Vormacht im "kleindeutschen" Verband der Länder. Dadurch verlor die von Luther weithin etablierte, von Martin Opitz zum Standard erhobene mitteldeutsche Kanzleisprache des sächsischen Hofes ihre normierende Kraft. Der Anspruch, das "reinste Hochdeutsch" zu sprechen, ging auf die ehemals niederdeutschen Gebiete über. Da ihre eigene Sprache weiter vom Schriftdeutschen entfernt gewesen war als die ober- und mitteldeutschen Dialekte, aus denen der hochdeutsche Standard ja hervorgegangen war, hatten die Niederdeutschen das "Buchdeutsch" gewissermaßen wie eine Fremdsprache schulmäßig gelernt. Daraus folgt bis in die Gegenwart, daß sie fast ganz ohne mundartliche Einsprengsel Deutsch sprechen, während alemannischen, (ober-) sächsischen oder bayerischen Sprechern trotz Bemühens um mündliche Verwirklichung der Schriftsprache meistens die regionale Herkunft anzuhören ist. Mit Recht wird deshalb gesagt, daß die in Niedersachsen gesprochene Sprache heute das repräsentiert, was wir die neuhochdeutsche Standardsprache nennen. Ihr entsprechen auch die 1898 getroffenen Ausspracheregeln für das hochdeutsche Theater, die auch in Österreich und in der Schweiz anerkannt werden. |
Hochdeutsch in der Gegenwart | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Deutsch ist heute Staatssprache im wiedervereinigten Deutschland, in Österreich, in der Schweiz (neben Französisch und Italienisch), in Luxemburg (mittelniederfränkischer Dialekt "Lëtzebuergesch"), Liechtenstein und Belgien (Minderheitssprache neben Niederländisch und Französisch). Darüberhinaus gab es bis vor kurzem deutschsprachige Bevölkerungsgruppen in der ehemaligen Sowjetunion, in Polen, Rumänien und Ungarn. Diese sind aber in der Auflösung begriffen, seit die Grenzen nach Westeuropa geöffnet sind und die Auslandsdeutschen ihre Heimat zu Hunderttausenden verlassen haben, um nach Deutschland zu kommen. |
deutschsprachige Länder | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Die Geltung und das Ansehen der deutschen Sprache sind durch das Unheil des Nationalsozialismus schwer geschädigt worden. Auch wurde ein Nebenzweig des Deutschen im Zuge der Herrschaft Hitlers und des zweiten Weltkriegs praktisch ausradiert: das Jiddische, das sich im 13./14. Jahrhundert im Rheinland aus dem Mittelhochdeutschen entwickelt hatte und mit der Auswanderung jüdischer Bevölkerung nach Osteuropa zu weiter Verbreitung gelangt war. Wenn Deutsch bis 1933 mit großer Selbstverständlichkeit bei den meisten unserer Nachbarn, in Belgien, Holland, Skandinavien, Polen, Ungarn die erste Fremdsprache war, die gelernt und gesprochen wurde, so sind es dort heute gerade noch 10% der Fremdsprachenschüler, die sich dem Deutschen zuwenden. Das hat nicht allein mit der jüngsten geschichtlichen Vergangenheit zu tun, aber doch hauptsächlich. Sogar daß das Englische dem Deutschen als europäische Verkehrssprache den Rang abgelaufen hat, ist indirekt eine Folge des Krieges: Die heutige militärische und kulturelle Vormacht der USA ist dadurch begründet worden, daß sie in den Krieg einbezogen wurden, seither als "Schutzmacht" von Demokratie und Freiheit an der europäischen Politik beteiligt sind und ihre Lebensart exportieren. Nicht nur in Deutschland, sondern fast überall in der zivilisierten Welt sehen wir amerikanische Filme (in vielen Ländern ohne Synchronisation), hören englischsprachige Popmusik und ahmen amerikanische Eß- und Kleidermoden nach. Das soll hier gar nicht kritisiert, aber immerhin doch insofern festgestellt werden, als es große sprachliche Auswirkungen hat: Englisch hat in allen kulturellen Bereichen die früher führenden Sprachen aus ihren Positionen verdrängt - das Deutsche aus der Wissenschaft, das Französische aus der Diplomatie, das Italienische aus der Musik. Und wie einst lateinische Wörter in allen Sprachen, mit denen die Römer in Berührung kamen, sich einnisteten, so sind heute fast alle anderen Sprachen - einschließlich des Deutschen! - von englischen Ausdrücken durchsetzt. |
Weltsprache Englisch Textprobe Altjiddisch Textprobe Neujiddisch |
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Zusammenfassend - und damit schließe ich diese kurze Übersicht über die germanisch-deutsche Sprachgeschichte ab - läßt sich der Weg einer Weltsprache als Aneinanderreihung von historischen Zufällen darstellen: Vor 1500 Jahren eroberte eine Schar von Sächsisch sprechenden Germanen aus Deutschland die britischen Inseln. Verstärkt durch wikingischen Abenteuergeist, machten sich diese Auswanderer 1000 Jahre später auf, ein riesiges Kolonialreich zu begründen. Sie eroberten einen neuen Kontinent und entwickelten dort eine neue Staatsform. Die amerikanische Neugründung war so erfolgreich, daß ihre Träger in die Lage versetzt wurden, ihre Sprache über die ganze Erde zu verbreiten. So ist das Idiom der Auswanderer, nun getragen von einem ganz anderen Volk, in neuem Gewand als Eroberer in die alte Heimat zurückgekehrt - nach Mitteleuropa, nach Deutschland. B.G. Niebuhr © 2003-2022 |
Zusammenfassung | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Literaturhinweise | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Bach, Adolf "Geschichte der deutschen Sprache", Wiesbaden,
8. Aufl. 1962 |
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Der indogermanische Ursprung der heutigen europäischen Sprachen |