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Richard Strauss - Der letzte Opern-Großmeister   heute: Mittwoch, 11.12.2024

Musikgeschichte:  Zum 158. Geburtstag von Richard Strauss

Der letzte Opern-Großmeister

Von einer neu auftretenden Kulturseite muß dieser Mann einfach mal gewürdigt werden, auch wenn 158 Jahre kein rundes Jubiläum sind: Richard Strauss (1864 - 1949) war der größte Opernschöpfer seiner Zeit, vielleicht sogar der letzte große Komponist „klassischer Musik“ überhaupt. Mit ihm endet in gewisser Weise die Geschichte der Musik, denn nach ihm kommen nur noch „Klangexperimente“ – und die öde Seichtigkeit von Operetten, Musicals, Schlagern, Rock- und Popmusik.

Von ei­ner neu auftreten­den Kul­tursei­te muß die­ser Mann ein­fach mal gewürdigt wer­den, auch wenn 158 Jah­re kein rundes Jubiläum sind: Richard Strauss (1864 - 1949) war der größ­te Opern­schöp­fer sei­ner Zeit, viel­leicht so­gar der letzte große Kom­po­nist „klassischer Mu­sik“ über­haupt. Mit ihm en­det in ge­wis­ser Wei­se die Ge­schich­te der Mu­sik, denn nach ihm kom­men nur noch „Klan­g­ex­pe­ri­men­te“ – und die öde Seich­tig­keit von Operet­ten, Musi­cals, Schla­gern, Rock- und Pop­mu­sik.


Abbildung: Strauss als jun­ger Kom­po­nist

Angefangen hat Richard Strauss, Sohn des königlich-bayerischen Hornvirtuosen Franz Strauss und der Bierbrauer-Tochter Josepha Pschorr, als durchaus konservativer Hochromantiker. Er lehnte die musikalische Welt Richard Wagners zunächst vehement ab, tendierte zur Kompositionsweise von Johannes Brahms, die im tobenden Geschmackskampf als die konventionellere, vermeintlich das Erbe Mozarts und Beethovens bewahrende Richtung galt. Doch je mehr er sich vom ästhetischen Diktat des Vaters befreite, desto offensichtlicher wurde es: Das süße Gift des wagnerischen Einflusses wirkte auf ihn. Mit den Sinfonischen Dichtungen – schon der Gattungsbegriff sagt es – , die er seit dem „Don Juan“ (1888) komponiert, erweist er sich wie der Erzwagnerianer Franz Liszt als Programmusiker. Erst recht brachte „Guntram“ elf Jahre nach Wagners Tod den klaren Beweis, daß Strauss auf die Seite der „Neutöner“ übergetreten war.

Obwohl eigentlich gelungen, wurde die Oper doch kein klarer Erfolg, und Strauss ließ für die nächsten Jahre die Finger von Opernprojekten. Erst ab 1905 entwickelte er sich zu dem „hauptamtlichen“ Opernkomponisten, als den man ihn heute kennt: „Salome“ schlug bei der Uraufführung wie eine Bombe ein und ging von Dresden aus um die Welt. Sie gehört, neben dem „Rosenkavalier“ und einigen Opern von Giacomo Puccini, zu den seltenen Musikdramen des 20. Jahrhunderts, die jederzeit vor vollen Häusern aufgeführt werden.

Strauss war mit einem Schlage als der aktuelle deutsche Bühnenkomponist etabliert, und er ließ eine Reihe von Opern folgen, meistens in Zusammenarbeit mit dem Dichter Hugo von Hofmannsthal, um die sich die Opernhäuser rissen: „Elektra“, „Rosenkavalier“, „Ariadne“, zwischendurch die „Alpensinfonie“ für ein riesiges Orchester und andere Konzertstücke. Dann noch rund zehn weitere Opern, die an die Vorkriegserfolge nicht mehr anschließen konnten.


Abbildung: Strauss in sei­nen mitt­le­ren Jah­ren

Der Erste Weltkrieg bedeutete für Strauss einen bösen Einschnitt. Sein internationales Ansehen, das ihn auf Tourneen durch Europa und Amerika geführt hatte, nicht nur mit eigenen Werken, sondern auch als berühmten Beethoven-, Mozart- und Weber-Dirigenten, war durch die antideutsche Propaganda in den Ländern der Kriegsgegner schwer mitgetroffen. Außerdem verlor er sein mit den Opernerfolgen verdientes, in England – sicherheitshalber, wie er meinte – deponiertes Vermögen und fing also in der Weimarer Zeit finanziell von vorne an. Verstärkt mußte er sich neben der Kompositionsarbeit wieder als Dirigent den Strapazen des Musikbetriebes aussetzen (in Berlin, Wien und anderswo), um die Familie über Wasser zu halten.

So wenig begeistert er von der Republik gewesen war, weil darin die Stimmen gezählt wurden, anstatt nach ihrem künstlerisch-intellektuellen Gewicht „gewogen“ zu werden, so wenig konnten ihn die Nazis für sich einnehmen. Hofmannsthal war schon 1929 gestorben, und Strauss hatte ohnehin Schwierigkeiten genug, nach ihm einen gleichwertigen Textdichter zu finden. Jetzt kam hinzu, daß ihm die Zusammenarbeit mit geeigneten Autoren, die er gefunden zu haben glaubte, mehrfach „von oben“ untersagt oder verleidet wurde, weil sie Juden waren oder politisch fragwürdig.


Abbildung: Strauss am En­de sei­nes Le­bens

Trotzdem ließ er sich 1933 von Kulturminister Goebbels zum Präsidenten der Reichsmusikkammer machen. Er sah darin die Chance, den allgemeinen Musikgeschmack zu heben, wollte die Aufführung von Operetten und andere, noch billigere Musikvergnügungen einschränken. Schon nach einem Jahr erkannte er die Aussichtslosigkeit solcher Erziehungsversuche: Selbst mit der Autorität einer absoluten Herrschaft im Rücken wäre es natürlich unmöglich gewesen, schlechten Geschmack ganz einfach abzuschaffen. Davon abgesehen, weigerte er sich, den Boykott der Regierung gegen jüdische Künstler mitzutragen. Strauss zog die Konsequenz und legte sein Amt 1935 nieder. Immerhin, er hatte jetzt in Joseph Gregor einen ziemlich brauchbaren Textdichter, und die Zusammenarbeit erbrachte in schwieriger Zeit drei schöne Früchte: „Friedenstag“, „Daphne“ (beide 1938) und die „Liebe der Danae“ (1944).

Nach dem Krieg wurde Strauss, dem beinahe die jüdische Schwiegertochter zuhause abgeholt worden wäre, von einem Überläufer übel mitgespielt: Klaus Mann verdingte sich als Übersetzer und Publizist bei der amerikanischen Besatzungsmacht. Er sagte sich bei Familie Strauss zu Besuch an, wurde freundlich aufgenommen und ließ sich danach in der Presse mit der Behauptung vernehmen, Strauss habe den Nazis nahegestanden, und seine „Metamorphosen“ (1945) seien als Trauergesang auf den „Führer“ gemeint.

Richard Strauss ist der Claudio Monteverdi, der Christoph Willibald Gluck, der Richard Wagner des 20. Jahrhunderts. Wie diese epochemachenden Opernmeister zu ihren Zeiten, so überstrahlt die künstlerische Größe und die universelle Wirkung der Meisterwerke von Strauss sämtliche Zeitgenossen. Kein Sänger des moderneren Repertoires kommt an „Salome“ und „Elektra“ vorbei, und keinem Komponisten – Strauss selber eingeschlossen – ist es aber auch gelungen, über die erschütternde Kühnheit dieser Opern hinauszugehen, ohne dabei gleichzeitig das Publikum hinter sich zu lassen. Einige von seinen Spätwerken, „Die ägyptische Helena“, „Daphne“, die „Liebe der Dane“, sind immerhin noch traurig-schöne Abgesänge. Als aber Strauss die Feder aus der Hand gelegt hatte, war es, als sei damit der Schlußstrich unter die Geschichte der Oper gesetzt.

 


Autor: Schmitz
Datum: 06.2022