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Leben im 12. Jahrhundert – Das Zeitalters von Friedrich I. Barbarossa   heute: Mittwoch, 11.12.2024

Hochmittelalter:  Sozialgeschichtlicher Überblick



Leben im 12. Jahrhundert


Ein Querschnitt des Zeitalters von Friedrich I. Barbarossa

  1. Periodisierung und historischer Rahmen
  2. Alltagsleben
  3. Technik, Wissenschaft und Medizin
  4. Kultur und geistige Entwicklung
  5. Gesellschaft
  6. Städte
  7. Handel, Wirtschaft und Verkehr

Stau­fer-Kö­nig Fried­rich I. Bar­ba­ros­sa (Mi­nia­tur aus ei­ner Hand­schrift von 1188)
War die hohe Blütezeit des Mittelalters, die Zeit der Ritter und des Minnesangs, der ungeteilten katholischen Frömmigkeit und kaiserlichen Allmacht – war das ein goldenes Zeitalter? Versuchen wir, einen nüchternen Blick auf diese erste „romantische Epoche“ der deutschen Geschichte zu werfen.

War die ho­he Blü­te­zeit des Mit­telal­ters, die Zeit der Rit­ter und des Min­ne­sangs, der un­geteil­ten ka­tho­li­schen Fröm­mig­keit und kai­ser­li­chen All­macht – war das ein gol­de­nes Zeit­al­ter? Ver­su­chen wir, ei­nen nüch­ter­nen Blick auf die­se er­ste „ro­man­ti­sche Epo­che“ der deut­schen Ge­schich­te zu wer­fen.

I. Periodisierung und historischer Rahmen

Das zwölfte Jahrhundert gilt als das zeitliche und ideelle Zentrum des Hochmittelalters. Wenn man die ersten 250 Jahre der mittelalterlichen Periode in Europa, die nach allgemein üblicher Definition etwa von 800 bis 1500 dauert, als das „Frühmittelalter“ ansetzt und die letzten 250 Jahre als „Spätmittelalter“ bezeichnet, so ergibt sich für das Hochmittelalter der Zeitraum von 1050 bis 1250. Innerhalb dieses Zeitraumes bildet das 12. Jahrhundert die rechnerische Mitte. Aus diesem, aber auch aus sachlichen Gründen nennt man es die „Blütezeit“ des Mittelalters (in Fortsetzung der biologistischen Terminologie wird das Spätmittelalter gern auch als der „Herbst des Mittelalters“ bezeichnet). Mit der sprachwissenschaftlichen Periodisierung der frühen deutschen Sprachstufen stimmt die geschichtliche Einteilung allerdings nur teilweise überein (1).

Ei­nen gro­ßen Teil des 12. Jahr­hun­derts hin­durch wurden Deutschland, Burgund und Italien von Kaiser Friedrich I. Barbarossa aus der Dynastie der Staufer regiert. Er wurde 1152 von den deutschen Fürsten zum König gewählt und reiste 1155 nach Rom, um sich vom Papst zum Kaiser des „Heiligen Römischen Reiches“ krönen zu lassen. Durch den Investiturstreit des 11. Jahrhunderts (König Heinrich IV. und Papst Gregor VII.) war das Verhältnis zwischen den deutschen Königen/Kaisern und dem Papsttum gespannt und – nach zwei schwachen Vorgängern Friedrichs noch zusätzlich – die Autorität des Königs in Frage gestellt. Aber auch die Macht der Kirche war nicht mehr ganz ungeteilt, seitdem sich die christliche Kirche des Ostens als „Orthodoxie“ verselbständigt hatte, die Heiligkeit des Papstes bezweifelt wurde und sich die ersten mittelalterlichen „Häresien“ (Katharer, Waldenser – Abweichungen von der religiösen Lehrmeinung Roms) ausbreiteten. Das Zeitalter der Kreuzzüge war angebrochen: Seit 1096 zogen christliche Ritter durch Europa und ins „heilige Land“, um die Juden totzuschlagen und Jerusalem den Moslems zu entreißen.

Die Politik Friedrichs I. Barbarossa zielte darauf ab, das Reich unter seiner Zentralgewalt wieder enger zusammenzufassen. Deshalb bekämpfte er selbstherrliche deutsche Gebietsfürsten (Heinrich den Löwen, Herzog von Bayern und Sachsen) ebenso wie die Selbständigkeitsbestrebungen der oberitalienischen Städte. Und er schuf neue Reichsgesetze, welche die Menschen vor räuberischer Willkür schützen sollten, gründete neue Städte und befreite andere von landesfürstlicher Herrschaft, machte sie damit de facto zu „freien Reichsstädten“. Eine Kaisersage, die ursprünglich Friedrich II. galt, von der Romantik aber auf Barbarossa übertragen wurde, besagt, der Kaiser sei nicht tot, sondern warte schlafend in einem Berg des Kyffhäuser darauf, eines Tages zurückzukehren und alles Unrecht aus der Welt zu schaffen. Zusammen mit Karl dem Großen und Maximilian I., dem „letzten Ritter“, die übrigens jeweils den Anfang bzw. das Ende des Mittelalters markieren, ist Friedrich Barbarossa wohl die volkstümlichste Kaisergestalt der deutschen Geschichte.


II. Alltagsleben

Das Leben der einfachen Menschen, die zu über 80% Bauern waren, war kurz und beschwerlich. Die Lebenserwartung lag durchschnittlich kaum über 30 Jahren, und gearbeitet wurde von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Es wurde früh geheiratet, oft schon im Kindesalter und selten aus Liebe, wobei die arbeitsfreie Kindheit schon mit fünf Jahren endete. Die Ehe brauchte noch nicht von einem Priester geschlossen zu werden, und entsprechend dem inoffiziellen Charakter gab es viele Trennungen und außereheliche Verbindungen (siehe „Tagelieder“!), die moralisch nicht weiter beanstandet wurden. Der Mann hatte das selbstverständliche, auch von der Kirche abgesegnete Recht, seine Frau zu schlagen, allerdings (nach einem frz. Rechtsbuch aus dem 13. Jh.) „nur mit Maß und Ziel“. Bordelle und Geschlechtskrankheiten waren in den Städten weit verbreitet, wie ein Londoner Ausweisungsbeschluß für Freudenmädchen „mit der gefährlichen brennenden Krankheit“ aus dem Jahr 1161 zeigt. Man wohnte in einfachen Häusern aus Holz, Stroh oder Naturstein. Nördlich der Alpen war in den Fenstern meistens noch kein Glas, sondern die Kälte wurde mit hölzernen Fensterläden oder Vorhängen aus Tuch oder Tierhaut abgehalten. Weil künstliche Beleuchtung teuer war, ging man „mit den Hühnern“ schlafen, und ohnehin konnte noch fast niemand außer gebildeten Geistlichen ein Buch lesen – sich erst recht keines kaufen, denn Bücher waren der teuerste Luxus, den man sich im Mittelalter leisten konnte. Es war üblich, in den zum Liegen zu kurzen Bettkästen halb sitzend auf Kissen aus Stroh zu schlafen, und man saß auf Schemeln oder Holzbänken. Auf Stühlen mit Lehnen, die an Throne erinnerten, zu sitzen, wäre anmaßend gewesen.

Man aß mit den Fingern, manchmal auch schon mit dem Löffel aus tönernen Näpfen; Teller waren noch nicht weit verbreitet, und Gabeln wurden bis ins 15. Jahrhundert als „Hexenwerkzeuge“ abgelehnt. Ein Messer, das die Männer sowieso als Waffe stets bei sich trugen, war zum Schneiden und Aufspießen des Essens immer dabei. Auf dem Speiseplan standen dieselben Haustiere wie heute, aber auch Krähen, Störche, Igel und Eichhörnchen. Zu jeder Mahlzeit wurde Brot gereicht, doch Gemüse gab es außer Rüben und Kohl kaum, und auf die Kartoffel sollte man noch 600 Jahre warten müssen. Wer es sich leisten konnte, trank in Norddeutschland Bier, in Süddeutschland hauptsächlich Wein zum Essen und auf Festen. Den Ärmeren blieben nur Wasser und Milch. Da Vorratshaltung ohne Kühlung und Konservierung noch kaum möglich war, lebte man „von der Hand in den Mund“. Daß es trotz eines Bevölkerungswachstums, das noch nicht vom „schwarzen Tod“ gebremst wurde (2), relativ selten zu großen Hungersnöten kam, ist bei den immer noch primitiven Anbaumethoden auf den zunehmenden Einsatz von Pferden als Zugtiere und vor allem auf die verstärkte Waldrodung zurückzuführen, durch die sich die landwirtschaftlichen Nutzflächen immer mehr vergrößerten.


III. Technik, Wissenschaft und Medizin

Eine Reihe technischer und medizinischer Neuerungen verdankte das Abendland dem feindseligen Kontakt, den die Kreuzfahrer mit dem Orient aufnahmen. So wurde nun die Windmühle in Europa bekannt, die mechanische Räder-Uhr, der Kompaß und als Schreibmaterial das Graphit. Ein Standardwerk über Geburtshilfe basierte gleichfalls auf muselmanischer Überlieferung. Auch die Tatsache, daß erstmals wichtige Schriften altgriechischer Denker und Naturforscher ins Lateinische, die allgemeine Bildungs- und Verkehrssprache des Mittelalters, übersetzt wurden, sorgte für manches Umdenken: Der „Almagest“ des Claudios Ptolemaios (um 100 – 160 n.Chr.) brachte das sogenannte Ptolemäische Weltbild auf. Es enthielt neben vielen richtigen Erkenntnissen die Feststellung, der Kosmos einschließlich der Sonne drehe sich um die Erde. So falsch diese Behauptung auch war, so gut paßte sie doch der Kirche ins biblische Konzept und wurde sogleich zum Dogma erklärt, mit dem sich ein paar hundert Jahre später Kopernikus und Galilei auseinanderzusetzen haben würden. Allzugern wurde vergessen, daß schon ein halbes Jahrtausend vor Ptolemaios zwei andere Griechen gewußt hatten, daß die Erde eine Kugel und die Sonne das Zentrum unseres Planetensystems sei. Anscheinend aus eigener Kraft fand das Abendland heraus, wie der seit 3000 Jahren fast unveränderte Webstuhl zu verbessern und wie – nämlich durch jodhaltigen Seetang – die Kropfbildung beim Menschen zu verhindern wäre. Ansonsten war die medizinische Praxis noch sehr stark von Zaubersprüchen, mystischen Vorstellungen (Hildegard von Bingen) und biblisch begründeten Irrationalismen beherrscht.


IV. Kultur und geistige Entwicklung

Die Geisteswelt des 12. Jahrhunderts war fast völlig von der kirchlichen Lehre bestimmt. In dem Maße, wie das Christentum den ehemals germanischen Raum allmählich durchdrungen hatte, setzte es sich in Deutschland und sogar in Skandinavien als alleinseligmachende Lebensvorschrift durch. Die vorchristliche Glaubenswelt hatte sich auf einzelne Sonderbereiche wie Magie, Fastnacht und literarische Formen zurückgezogen oder war vom Christentum absorbiert worden. Dieser Prozeß der ‘inneren Mission’ war im Zeitalter Friedrich Barbarossas abgeschlossen. Von dem Bewußtsein gestärkt, nunmehr die erhabenste Stufe des Menschentums erreicht zu haben, ging man daran, das „Heilige Land“ und das ebenfalls teilweise islamisch beherrschte Spanien zurückzuerobern und die letzten heidnischen Bastionen Europas niederzureißen. Gleichzeitig mit den Kreuzzügen setzte eine neue Phase der Slawenmission ein, die sich gegen Polen und Litauen richtete. Als nun die ersten Universitäten gegründet wurden (Bologna 1088, Paris 1150), war es unter dem Eindruck der allgemeinen religiösen Emphase auch hier unmöglich, Wissenschaft unter anderen als unter christlichen Vorzeichen zu betreiben. Theologie war die vornehmste Disziplin, und entsprechend wurde an den griechisch-römischen Bildungsfundus, der ja nicht zufällig zu heidnischer Zeit gewachsen war, kaum angeknüpft.

Baugeschichtlich fing in Frankreich und Italien bereits die Gotik an, doch im Deutschland Friedrichs I. wurden die vielen neuen Kirchen und Burgen noch ganz im Stile der Romanik errichtet. Dafür brach sich in der deutschen Literatur so etwas wie eine kulturelle Revolution bahn: Nachdem der Übergang von der althochdeutschen Sprachstufe zum Mittelhochdeutschen vollzogen war (um 1050), verabschiedete sich die „schöne Literatur“ zusehends vom Lateinischen und bediente sich der Volkssprache. Zu Beginn von Barbarossas Regierungszeit erschien die erste Geschichtsdichtung in deutscher Sprache, die „Kaiserchronik“, geschrieben von einem Regensburger Geistlichen, die unter anderem vom Beginn des ersten Kreuzzuges berichtet:

Under diu chom daz zît,
daz der herzoge Gotfrit
huop sich ze dem hailigen grabe.
er verliez alle sîne habe
dem wâren gote zêren.
vil was der hêrren
die sich mit im ûz huoben.
durch Ungeren si dô vuoren,
dannen durch Pulgrîe,
durch die wuosten Rumenîe.
der haiden craft
flôch ze Antîoch in die stat,
der herzoge dar vur saz. (3)

Die vier berühmtesten mittelhochdeutschen Dichter, Hartmann von Aue, Walther von der Vogelweide, Gottfried von Straßburg und Wolfram von Eschenbach, und der unbekannte Schöpfer des „Nibelungenliedes“ waren in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts geboren und erreichten um 1200 den Höhepunkt ihres Schaffens. Ihre Themen waren in der Lyrik die (außereheliche) Liebe, Natur und Politik, in den Romanen die um den legendären Artushof kreisende Ritterepik oder die deutschen Heldensagen.


V. Gesellschaft

Außerhalb der Städte, und das betraf somit rund 95% der Bevölkerung, teilte sich die Gesellschaft in unfreie Menschen, die man auch „Hörige“ oder „Leibeigene“ nannte, und Freie, zu denen die Ritter, die Geistlichen und der Adel gehörten. Die Unfreien unterstanden einem Grundherrn, für den sie an 3 bis 5 Tagen in der Woche arbeiten mußten (Frondienst; ahd./mhd. „frô“ = Herr) (4), dem sie außerdem aus ihrer privaten Produktion Naturalien abzugeben hatten. Sie durften das Land, auf dem sie lebten, nicht ohne Erlaubnis ihres Herrn verlassen und unterlagen im rechtlichen Streitfall seiner Gerichtsbarkeit. Sie konnten von ihrem Herrn totgeschlagen, verschenkt oder verkauft, aber auch freigelassen werden.

Für die wesentlich kleinere Gruppe der Freien galt das System einer sich nach oben verjüngenden Lehenspyramide: Einfache Freie oder Ministeriale (ehemalige Hörige, die oftmals wegen besonderer Verdienste freigelassen worden waren) dienten meistens als bezahlte Angestellte („Mannen“) höheren Herren, konnten aber auch selbst Grundherren und als solche Lehensleute eines Freiherrn oder Ritters sein. Diese wurden schon dem Adelsstand zugerechnet. Über dem Ritter stand lehensrechtlich ein Landesfürst, etwa ein Graf, Markgraf oder Herzog. Diese bekamen ihre Lehen (d.h. Land zur leihweisen Nutzung), ebenso wie die Reichsbischöfe und Reichsäbte, die vielfach auch Landherren waren, vom König verliehen. Alle Mitglieder der Lehenspyramide, die wegen ihrer Abstammung vom germanischen Gefolgschaftswesen mit der „Heerschildordnung“ (5) gleichgesetzt werden kann, waren also mehr oder weniger direkt durch ihren Lehenseid auf die Treue zum König verpflichtet und hatten sich seinen Gesetzen und seiner Justiz zu unterwerfen.


VI. Städte

Das Leben in der Stadt war im 12. Jahrhundert der Ausnahmefall – im rechtlichen wie im zahlenmäßigen Sinne. Nicht mehr als 3 bis 5% der Reichsbevölkerung lebten in Städten, und dazu zählten im Mittelalter schon Ortschaften ab 100 Einwohnern. Seitdem sich allerdings herumsprach, daß städtischen Gemeinden ab der Zeit Kaiser Heinrichs IV. (1056 – 1106) einige Sonderrechte zugesprochen worden waren, nahmen die Einwohnerzahlen vieler Städte rasch zu. Denn zu den zugestandenen Rechten gehörte es, daß „Stadtluft frei macht“: Wer sich als Unfreier in eine Stadt abgesetzt hatte, erwarb nach einem Jahr und einem Tag, wenn nicht inzwischen sein Leibherr erschien, um ihn zurückzufordern, das städtische Bürgerrecht – und damit die Freiheit. Das übte naturgemäß eine Anziehungskraft aus, welche nicht nur die Städte schnell anschwellen ließ, sondern auch zahlreiche Neugründungen beförderte.

Im Rahmen seiner Hoheit über die Regalien (Zoll-, Markt-, Münzrecht) besaß der Kaiser das Recht, neue Marktorte zu gründen. Um diese herum bildeten sich Siedlungen von Kaufleuten, die sich bald zu Städten ausweiteten. Für das Recht, in diese Städte ziehen, Handel treiben zu dürfen und dabei kaiserlichen Schutz vor Räubern und landesherrlichen Ansprüchen zu genießen, ließ sich der Kaiser bezahlen. Nachdem sich dieses Abkommen für beide Seiten als einträglich erwiesen hatte, war auch Friedrich I. daran gelegen, das Wohlergehen seiner Schützlinge, von denen er ja profitierte, durch städtische Ausnahmerechte zu fördern. So nahm er 1156 die Bürger von Augsburg, 1182 die Einwohner von Köln gegen die Anmaßungen ihrer Bischöfe in Schutz und begründete damit ihren späteren Status als „freie Reichsstädte“. Als allerdings die Mainzer 1160 versuchten, sich von ihrem Bischof zu befreien, indem sie ihn ermordeten, nahm Friedrich das sehr übel. Auch einigen Städten in Norditalien (besonders Mailand), die nach dem Vorbild Venedigs das Reichsregiment abschütteln wollten, bekam ihr Frevel gegen die staufische Adelsideologie schlecht: In mehreren Feldzügen überzog sie der Kaiser mit Krieg und Zerstörung.


VII. Handel, Wirtschaft und Verkehr

Im Zusammenhang mit seinem Interesse am Gedeihen der Handelsplätze kümmerte sich der Kaiser auch um das Verkehrswesen im Reich: Das Landfriedensgesetz von 1152 erklärte bestimmte Handelswege zu „Reichsstraßen“. Zwar waren diese Straßen selten mehr als Trampelpfade, die durch reichliche Benutzung zu einer gewissen Breite ausgetreten waren, aber auf ihnen galt der „Königsfrieden“. Wer dagegen verstieß, wurde von königlichen Beauftragten an Ort und Stelle unter freiem Himmel abgeurteilt: Auf räuberische Überfälle und Betrügereien standen Körperstrafen wie das Abhacken der Hände; Diebstahl und Mord wurden mit der Todesstrafe geahndet. Wer die geschützten Straßen verließ, tat dies aber auf eigene Gefahr. Oft hatte der Reisende jedoch keine große Wahl, da viele Wege durch Schlamm, Hochwasser und Wegelagerer unpassierbar waren. Die Straßenverläufe folgten meist topographischen Gegebenheiten wie Flußfurten und den wenigen vorhandenen Brücken. An wichtigen Flußübergängen entwickelten sich mitunter aus Wegzollstationen neue Städte: Innsbruck, Saarbrücken, Frankfurt.

Sicherer als die Landwege war im allgemeinen der Warentransport auf See. Hierbei wurde die Orientierung durch den schon erwähnten Kompaß und die neuerdings eingerichteten Leuchtfeuer leichter, außerdem wurden die Schiffe größer und besaßen im 12. Jahrhundert erstmals Steuerruder. In die Regierungszeit Friedrich Barbarossas fiel auch die Anlage der ersten künstlichen Häfen – und die Gründung Lübecks, das zur Keimzelle für die größte Handels- und Seefahrtorganisation des gesamten Mittelalters, der Hanse, werden sollte. Die wichtigsten Handelswaren, die im Hochmittelalter verschifft oder auf Lasttieren im- und exportiert wurden, weil die Straßen sich für Wagen kaum eigneten, waren Pelze, Honig, Salz, Wachs, Gewürze, Seide und Sklaven. Man bezahlte bis 1100 vorwiegend mit dem römischen Pfund, einer Münzwährung aus Gold oder Silber, die aber im 12. Jahrhundert allmählich von der skandinavischen Mark verdrängt wurde. Zeitweise war im deutschen Raum auch der Heller aus Schwäbisch-Hall hoch im Kurs. Bei der Vielzahl verschiedener Münzen hatten Falschmünzer relativ leichtes Spiel, so daß mit drastischen Strafen wie Handabhacken gegen sie vorgegangen werden mußte.

Außer Händlern waren auch schon manche anderen Reisenden auf den Straßen des Reiches unterwegs: Pilger, Bildungsreisende, Teilnehmer an königlichen und fürstlichen Reichs-, Land- und Hoftagen, Kreuzfahrer, Boten – und schließlich der Kaiser selber mit seinem Gefolge. Friedrich I. residierte noch nicht in einer Reichshauptstadt – die gab es das ganze Mittelalter hindurch noch nicht – , sondern reiste ständig von Kaiserpfalz zu Kaiserpfalz und von Stadt zu Stadt. Zu einer Zeit, als noch keine Verwaltung, keine Polizei und kein stehendes Heer existierte, war neben einer schlagkräftigen Gefolgschaft, die man sich durch die Vergabe von Pfründen sicherte, die persönliche Anwesenheit das wirkungsvollste Herrschaftsinstrument. Dieses „Wanderkönigtum“ war germanischen Ursprungs, die Tradition des Anlegens von Pfalzen (regelmäßig besuchten Königsburgen) ging auf Friedrich Barbarossas Vorbild, auf Karl den Großen, zurück.


Anmerkungen

(1) Vergleich der geschichtlichen und sprachlichen Periodisierung in Deutschland:

geschichtlich:   sprachlich:  
395 - 800 Spätantike 200 - 700 Westgermanisch
800 - 1050 Frühmittelalter 700 - 1050 Althochdeutsch
1050 - 1250 Hochmittelalter 1050 - 1170 Frühmittelhochdeutsch
1250 - 1500 Spätmittelalter 1170 - 1350 klass. Mittelhochdeutsch
    1350 - 1450 Spätmittelhochdeutsch
1500 - 1650 frühe Neuzeit 1450 - 1650 Frühneuhochdeutsch
1650 - heute Neuzeit 1650 - heute Neuhochdeutsch

(2) Die erste Pest-Epidemie des Mittelalters in Europa sollte Mitte des 14. Jahrhunderts die Bevölkerungszahl im Reich auf den Stand von vor der Jahrtausendwende zurückwerfen.

(3) Übertragung ins Neuhochdeutsche:
     Unterdessen kam die Zeit,
     daß der Herzog Gottfried
     sich zu dem heiligen Grab hob (erhob, aufmachte).
     Er verließ alle seine Habe (Besitz)
     dem wahren Gott zu Ehren.
     Es waren viele Herren,
     die mit ihm aufbrachen.
     Durch Ungarn fuhren sie damals,
     von da aus durch Bulgarien,
     durch das wüste Rumänien.
     Die Armee der Heiden
     floh nach Antiochia in die Stadt,
     der Herzog saß davor (belagerte sie).

(4) Ahd. = althochdeutsch, mhd. = mittelhochdeutsch; das Wort „frô“ ist bis auf den Bestandteil in „Frondienst“ , „Fronleichnam“ und das Verb „frönen“ im Neuhochdeutschen (Nhd.) ausgestorben.

(5) Die Heerschildordnung bestimmte, daß jeder Lehensmann als Gegenleistung für die Landüberlassung im Kriegsfall seinem nächsthöheren Lehensherrn Kriegsdienste zu leisten oder Soldaten aufzubieten hatte.


B.G. Niebuhr

 


Autor:
Datum/Letzte Bearb.: 1998/2022