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Das Westgotenreich unter König Leowigild (568 - 586 n.Chr.) | heute: Mittwoch, 11.12.2024 | |
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Westgotenreich in Spanien (507 - 711 n.Chr.) Quelle: Wikipedia |
Die Westgoten waren unter den germanischen Wandervölkern, die nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches verwaiste Provinzen übernahmen, das erfolgreichste. Als die Wandalen in Afrika und die Ostgoten in Italien schon von den Byzantinern abgeräumt waren (535 und 553 n.Chr.), das Burgunderreich von den Franken überrollt (534), machten die Westgoten in Spanien noch über 150 Jahre weiter. Ihr Reich hat die Justinianische Spätantike überlebt und reicht schon ins frühe Mittelalter hinein, in die Expansion des Islam. Von den Franken auf die iberische Halbinsel verdrängt, fanden sie dort erst um 711 durch die Mauren ihren Untergang. Hier beschäftigen wir uns mit einer Episode der westgotischen Geschichte des 6. Jahrhunderts: König Leowigild war der letzte, der am arianischen Glauben festhielt und so versuchte, die kulturelle Identität der Westgoten zu bewahren.
Das westgotische Königreich mit der Hauptstadt Tolosa, das eben erst durch Eurich (466 - 484) so machtvoll errichtet worden war, erhielt schon 23 Jahre nach dessen Ableben unter Alarich II. (484 - 507) durch die Schlacht bei Vouillé, bei der die Goten dem Frankenkönig Chlodwig unterlagen, den Todesstoß. Daß dieses Ereignis keine endgültige Entscheidung gegen ein Fortbestehen eines selbständigen Westgotenreiches bedeutete, war nicht der eigenen Abwehrkraft der Westgoten, sondern dem Eingreifen des mächtigen Ostgotenkönigs Theoderich zu verdanken, den verwandtschaftliche Beziehungen mit dem Hause Alarichs II. verbanden. Bis 526 herrschte Theoderich über beide Gotenreiche; das Westgotenreich wurde während dieser Zeit wiederhergestellt nachdem aber die nördlichen Teile an die Franken, die nun fast ganz Gallien beherrschten, verloren waren, verlagerte sich das Schwergewicht nach Spanien; dessen Besiedelung durch die Westgoten hatte schon unter Eurich begonnen, ohne daß sie allerdings gleich von der gesamten Halbinsel hätten Besitz ergreifen können.
Nach Theoderichs Tod begann für beide Gotenstaaten, die wieder voneinander getrennt und nun von Theoderichs Enkeln Amalarich bzw. Athalarich geführt wurden, eine Krisenzeit, in der Königsmord und Thronsturz die üblichen Mittel der Thronerledigung waren. Der junge Westgotenkönig Amalarich wurde 531 ermordet, womit das auf Alarich II. zurückgehende baltische Königshaus ausgestorben war; dasselbe geschah 548 seinem Nachfolger Teudis. Teudegisel ließ man nur wenig mehr als ein Jahr Zeit zum Regieren, bevor er in Sevilla einer Verschwörung zum Opfer fiel. Der nächste an der Reihe war Agila: Er suchte mit Gewalt die inneren Feinde des Reiches niederzuwerfen, unternahm einen erfolglosen Angriff auf das katholische Cordoba; seine Niederlage nahm 554 Athanagild zum Anlaß, selbst nach der Krone zu greifen. Der Thronsturz gelang jedoch nicht so rasch und problemlos wie erhofft, Athanagild rief daher Truppen des Kaisers von Konstantinopel zu Hilfe gegen Agila.
Diese letzten Vorgänge kann man wohl als Höhepunkt der Krise betrachten, in der sich das westgotische Königtum seit 526 befand. Nur zu gern nahm Justinian Athanagilds Einladung an, bot sie doch willkommene Gelegenheit, nun endlich auch den letzten zu dieser Zeit noch bestehenden Germanenstaat auf ehemals römischem Boden zu zerschlagen. Zuvor war 534 das afrikanische Wandalenreich durch den Feldherrn Belizar vernichtet worden, und der letzte Erfolg dieser Art lag kaum zwei Jahre zurück und sollte wohl das Vorbild für den nun zu erwartenden Streich sein: der Untergang der Ostgotenherrschaft in Italien durch Narses und Belizar, erfolgt 553 nach den chronischen Thronstreitigkeiten unter Theoderichs Nachfolgern, in deren Verlauf es ebenfalls vorgekommen war, daß von einer Seite byzantinische Truppen als Unterstützung gegen die andere Seite herbeigeholt wurden.
Weder Athanagild noch Justinian erreichten vollends das abgesteckte Ziel; denn nachdem Agila zwar endgültig besiegt war, ließen sich nun die Byzantiner nicht mehr vom westgotischen Boden entfernen; sie setzten sich an der Süd- und Ostküste Spaniens fest, konnten allerdings noch nicht sogleich von dort aus die Oberhand im ganzen Reich gewinnen. Dennoch schien es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis auch das Westgotenreich zusammenbrechen mußte unter dieser Bedrohung von außen und durch die Gefahren, die es zugleich von innen her bedrängten.
Seit dem Übertritt der Sueven um 560 waren die arianischen Westgoten von katholischen Nachbarstaaten umgeben, den Franken im Norden und Nordosten, den Sueven im Nordwesten und den Byzantinern im Süden und Südosten. Diese Tatsache hätte zunächst wohl kaum in geistlicher Hinsicht ein Problem dargestellt, wenn sie nicht jederzeit ein Vorwand für die genannten Nachbarn hätte sein können, dem Westgotenreich den Krieg zu erklären und sich gegen den Ketzerstaat zu verbünden. Hinzu kam, daß die romanisch-katholische Bevölkerungsmehrheit in ihrem Haß gegen die zahlenmäßig kleine gotische Oberschicht mit den Kaiserlichen sympathisierte, weil sie sich von ihnen die Befreiung von der Barbarenherrschaft erhoffte. Die äußeren Feinde, besonders die Byzantiner, besaßen also gewissermaßen natürliche Verbündete im Inneren, denn obgleich die Goten von allen germanischen Wanderungsvölkern am längsten in Kontakt mit der spätantiken römischen Kultur gestanden hatten, hatten sie sich doch vergleichsweise langsam romanisieren lassen, und so gab es noch im 6. Jahrhundert einen starken kulturellen und rechtlichen Gegensatz zwischen römischer Bevölkerung und gotischem Staatsvolk. Der Gegensatz war prinzipiell wohl ebensosehr nationaler wie religiöser Natur, aber über den gemeinsamen wahren Glauben funktionierte das Zusammenspiel der inneren und äußeren Gegner des Westgotenreichs. Die Konspiration mancher Bischöfe mit den Reichsfeinden zwang bereits vor Leowigild manchen König zur Härte gegen Vertreter des organisierten Katholizismus, und solche repressiven Maßnahmen steigerten natürlich noch die Feindschaft der Bevölkerung gegen ihre Herren.
Ein anderes staatsgefährdendes Dilemma, in dem das Reich seit 526 permanent steckte, war die destruktive Haltung des gotischen Adels gegenüber dem Königtum. In den entlegeneren Provinzen hatten sich Gebietsherrschaften gebildet, die ein zentrales Königtum nicht mehr anerkennen wollten oder jedenfalls dessen tatsächliche Machtansprüche nicht duldeten. Zu mächtig werdende, unbequeme Könige wurden daher beizeiten beseitigt, der Erfolg des Adels in diesem dauernden Ringen liegt auf der Hand: Seit Theoderich hatte es vier Königsmorde gegeben, der Versuch, die Erblichkeit des Königtums durchzusetzen, war mehrfach gescheitert, und nach dem Abtreten Athanagilds, der erstaunlicherweise eines friedlichen Todes starb (diese Tatsache wird von den Quellen besonders hervorgehoben), gab es ein fünfmonatiges Interregnum, bevor endlich der Herzog von Septimanien (Gallien) zum König erhoben wurde, den der spanische Adel teilweise zunächst wiederum nicht anerkannte.
Dies war die Situation vor dem Machtantritt Leowigilds. Das Königtum war durch die rebellische Aristokratie auf dem Tiefpunkt seiner Macht angelangt, jenseits der Grenzen lauerten drei Mächte auf die Gelegenheit, sich den Gotenstaat ganz oder teilweise einzuverleiben, und im Lande selbst konspirierte die Bevölkerung mit jeder Art von Reichsfeinden, wenn sie nur die Möglichkeit versprachen, Oberhand über die Barbaren zu gewinnen. Zu den wenigen Lichtblicken in dieser Zeit zählte, daß wenigstens die Kirche sich noch nicht anschickte, Einfluß auf die Staatsführung zu nehmen, und daß die Verschwägerung der gotischen Könige mit den fränkischen Königshäusern eine aktive Rolle der Franken in den außenpolitischen Konflikten faktisch seit Jahrzehnten verhindert hatte und möglicherweise weiter verhindern konnte. Dennoch, mit Athanagilds Tod schien auch das Ende des Reiches eingeläutet zu sein.
Leowa, der 568 zum König erhobene septimanische Herzog, erwies sich gegenüber der spanischen Aristokratie als zu schwach, um sich allgemeine Anerkennung zu verschaffen. Er griff daher, um einem Thronsturz zuvorzukommen, zu einem Mittel, das in der westgotischen Geschichte noch von keinem König angewendet worden war: Er nahm seinen Bruder Leowigild als gleichrangigen Mitregenten an und übertrug ihm die Herrschaft über den spanischen Teil des Reiches, über den Hauptteil also. Selbst begnügte sich Leowa mit dem westgotischen Gallien und wurde bald so bedeutungslos, daß ihm Isidor von Sevilla, der Anfang des 7. Jahrhunderts die wichtigste uns überlieferte Westgotengeschichte schrieb, nur ein Regierungsjahr zurechnet, obwohl Leowa erst 572 starb und bis dahin formell auch der ,erste König im Reich blieb. Spätestens seit 569 aber ragte Leowigilds Persönlichkeit so sehr hervor, daß auch seinen Zeitgenossen schon klar werden mußte, daß er die führende Rolle in der westgotischen Politik spielte.
Die außenpolitische Situation war dank der Untätigkeit der vorherigen Könige weiterhin gefährlich, und Leowigild ging es zunächst hauptsächlich darum, hier Abhilfe zu schaffen. Acht Jahre lang führte er unentwegt Krieg. Der bedrückendste Gegner stand im Süden, dort hatten sich ja durch Athanagilds Hilferuf die Byzantiner festsetzen können. Noch im Jahre 569 zog Leowigild gegen sie aus, siegte zunächst in mehreren Feldschlachten und verwüstete das unter kaiserlicher Herrschaft stehende Land, gewann 570 die Festung Assidonia und 571 endlich auch Cordoba, das zu dieser Zeit das katholische Zentrum Spaniens war und dessen Bewohner auch fleißig mit den kaiserlichen Truppen zusammenarbeiteten. Nachdem Cordoba gefallen war, unterwarfen sich andere abtrünnige Städte. Das Dringendste schien zunächst getan, wenn auch die Byzantiner noch nicht ganz von der Halbinsel verdrängt werden konnten.
Inzwischen gab es im Norden Probleme mit den Sueven, die dort, etwa im Bereich des heutigen Portugal, seit dem Jahre 409 ihr eigenes Reich besaßen. Zwischen suevischem und gotischem Machtbereich gab es einen Streifen Land, der im Prinzip zum Reich der Westgoten gehörte, in der Praxis aber nicht recht kontrolliert werden konnte. Hier zogen die Sueven gelegentlich plündernd umher und waren wohl nicht weit davon entfernt, dieses Land sogar ihrem Reich einzuverleiben. Im übrigen kam es auch im Norden des Staates vor, daß sich die romanische Bevölkerung um Hilfe an die äußeren Feinde der Westgoten wandte. Diesen Zuständen machte Leowigild durch rasches Eingreifen ein Ende, ebenfalls aber ohne den Gefahrenherd endgültig zu beseitigen. Östlich des suevischen Gebiets, in Cantabrien, mußte eine Rebellion des Provinzialadels niedergeschlagen werden, und zuletzt kamen noch die Basken im Nordosten des Reiches an die Reihe, die immer wieder von ihren schützenden Bergen herabstiegen und gotisches Land plünderten und verwüsteten.
Zu Auseinandersetzungen mit den Franken kam es auch diesmal nicht, da, wie schon erwähnt, familiäre Bande zwischen den gotischen und fränkischen Königshäusern bestanden, die durch kluge Diplomatie so ergänzt wurden, daß die in Mitteleuropa sich ausbreitenden Franken sich jedenfalls den katholischen Mächten politisch nicht in größerem Maße verbunden fühlten als den Westgoten.
Nach den erfolgreichen Feldzügen der Jahre 569 bis 576 stand das Reich der Westgoten außenpolitisch wohl glänzender und fester dar als jemals zuvor in seiner 507 unterbrochenen Geschichte seit der Reichsgründung in Gallien. Leowigild sollte diese Entwicklung zu neuer Stärke nicht mehr selbst auf den Höhepunkt führen, zumindest in Bezug auf die geographische Ausdehnung des Reiches, aber sein Werk war die Voraussetzung dafür, daß das Reich noch bis 711 fortbestehen konnte, ohne je wieder trotz der meist sehr viel schwächeren königlichen Nachfolger von denselben Mächten in Gefahr gebracht werden zu können, die in diesen acht Jahren so überzeugend besiegt worden waren. Als das toletanische Reich am Ende doch fiel, wie alle frühmittelalterlichen germanischen Staatenbildungen der Völkerwanderungszeit, geschah das nicht durch Konstantinopel, die Sueven oder die Franken, sondern durch die in einer der üblichen Thronstreitigkeiten herbeigerufenen Araber.
Zum Zeichen des Sieges und des endlich möglich gewordenen Friedens gründete Leowigild eine neue Stadt mit dem Namen Rekkopolis, so benannt nach seinem Sohn Rekkared. Rekkopolis war eine der ersten mittelalterlichen germanischen Stadtgründungen und damit in gewisser Weise auch ein Gegenargument zu der heute wie damals wohl vielfach gedachten und gesagten Meinung, die Germanen der Völkerwanderung hätten die antike Kultur oder die Kultur überhaupt zerstört. Die Gründung von Rekkopolis gehört zu den konstruktiven staatsmännischen Leistungen Leowigilds, deren besonders viele sich in den innenpolitischen Maßnahmen erkennen lassen.
Die militärischen Erfolge Leowigilds trugen innerhalb wie außerhalb des Reiches stark dazu bei, das Ansehen des westgotischen Königtums wiederherzustellen. Im übrigen vergrößerte die eroberte Kriegsbeute den Königsschatz, was dem König einen deutlichen Machtgewinn gegenüber dem Adel einbrachte, der schon rein finanziell zuvor fast immer in einer besseren Position gewesen war als der König, ihm zumeist großen Landbesitz und eine umfangreiche persönliche Klientel vorausgehabt hatte; denn weder Schatz noch Thron waren erblich. Aber nicht erst durch diese vorteilhaften Folgen der Kriege, sondern bereits unmittelbar nach seinem Regierungsantritt konnte Leowigild einen erheblichen Teil der westgotischen Oberschicht für sich gewinnen. 568 heiratete er die Witwe Athanagilds, Godiswintha, und gewann damit den Anhang des eben verstorbenen Königs. Darüberhinaus bedeutete die Ehe mit der Königswitwe eine Legitimierung der eigenen Herrschaft, denn obwohl das Königtum bei den Westgoten nicht erblich war, scheint es noch den traditionellen germanischen Glauben an das Geblütsheil bei ihnen gegeben zu haben, der ja bei den Franken und Ostgoten eine sehr wichtige Rolle spielte. Diejenigen Teile der Aristokratie, die sich nicht gewinnen ließen, wurden zum Teil beseitigt, hingerichtet oder verbannt, ihr Besitz zugunsten des Staates, also des Königsschatzes, eingezogen.
Dieses Problem des Königtums, seine mangelnde Erblichkeit, was immer wieder zur Destabilisierung geführt hatte, aus der Welt zu schaffen, war das durch Diplomatie, Enteignung und auch durch Gewalt verfolgte Ziel Leowigilds. Das Wahl- und Einflußrecht des Adels mußte abgeschafft werden, um regionale Machtinteressen gegenüber dem Interesse am Zusammenhalt des Staates bei der Thronerhebung zurückdrängen zu können. Bereits 573 regelte Leowigild seine Nachfolge, indem er seine Söhne aus erster Ehe, Rekkared und Hermenegild, zu Mitregenten einsetzte. Er beabsichtigte damit keine Aufteilung des Reiches nach seinem Tode, wie von Gregor von Tours angenommen, sondern kam einer späteren Entscheidung der Aristokratie dadurch zuvor, daß er seinen Söhnen frühzeitig Regentschaften über Provinzen übertrug, in denen sie so Machtpositionen ausbauen konnten, von denen aus die Übernahme der Krone später keine Schwierigkeiten mehr bereiten sollte. Daß eben diese Einsetzung nach wenigen Jahren zum Bürgerkrieg führte, gehört zu den tragischen Rückschlägen, die es während der vergleichsweise langen Regierungszeit Leowigilds neben bemerkenswerten Erfolgen letztlich auch gab.
In vielem zog Leowigild seinen Nutzen aus dem Vorbild des Kaisers von Konstantinopel. Konstantinopel war nach dem Niedergang des weströmischen Reiches und seiner Metropole Rom unbestritten die Hauptstadt der Welt, auf den Münzen fast überall in Europa prangte das Bild des Kaisers, und auf das gesamte, ehemals einige, nun aber in Germanenstaaten zersplitterte römische Reich übte es einen überragenden kulturellen Einfluß aus. Obwohl Leowigild in mancher Hinsicht als letzter Vertreter des noch relativ rein erhaltenen, germanischen Gotentums anzusehen ist, übernahm er bewußt einige römisch-byzantinische Traditionen in seine Szepterführung. So war er der erste gotische König, der sich durch seine Kleidung von den Untergebenen unterschied. Er trug, wie der Kaiser, einen Purpurmantel, eine Krone oder ein Diadem und saß bei Empfängen auf einem Thron, den es bei seinen Vorgängern noch nicht gegeben hatte. Darin ist, nach Felix Dahn, nicht ein Ausdruck persönlicher Eitelkeit zu sehen, sondern eine Demonstration von Macht und Überlegenheit gegenüber dem aufsässigen gotischen Adel; auch mag wohl der Wille eine Rolle gespielt haben, sich sogar dem Kaiser gleichzustellen, Selbstbewußtsein und Eigenständigkeit zu betonen. Man stand wirtschaftlich und kulturell in enger Verbindung mit Konstantinopel, sogar deutlicher als die östlichen Nachbarreiche der Franken und Langobarden, aber politisch wollte das Westgotenreich eine unabhängige Macht bleiben. Ein Beleg dafür ist auch zum Beispiel die Tatsache, daß Leowigild als erster römisch-germanischer König eigene Münzen prägen ließ, mit dem eigenen Bild auf der einen und dem des Kaisers auf der anderen Seite.
Aber Leowigilds Repräsentationsgebaren war nicht bloße Nachahmung byzantinischer Rituale, sondern, wie schon am Anfang dieses Abschnitts gesagt, der Westgotenkönig zog seinen Nutzen aus dem Vorbild: Sich durch äußere Zeichen von den anderen Großen des Reiches abzuheben, diente zu nichts anderem, als das Königtum zu stärken. Die byzantinischen Vorgaben wurden durchaus in gotische Verhältnisse umgesetzt und erhielten so einen eigenen nationalen Charakter; im übrigen pflegte Leowigild neben der prunkvollen Hofhaltung noch immer die Traditionen der germanischen Heerkönige der Wanderungszeit.
Eine weitere Neuerung gegenüber der früheren westgotischen Geschichte war die Erwählung einer Hauptstadt als ständiger Königsresidenz. Nach Leowigilds Hauptstadt Toledo, deren Herzog er schon vor seiner Königserhebung gewesen war, hat das 507 von Theoderich neugegründete Westgotenreich im Toletanischen Reich seinen Namen gefunden, womit sich die letzte große Phase der westgotischen Geschichte für uns von der des 507 zusammengebrochenen Tolosanischen Reiches abhebt.
Wahrscheinlich in die Friedenszeit nach 576 fällt Leowigilds Revision und Ergänzung des von König Eurich (466 - 484) herausgegebenen Gesetzbuches. Unter Eurich, dem kraftvollsten Westgotenkönig vor Leowigild, waren germanisches Volksrecht und römisches Vulgarrecht zu einem ersten umfassenden gotischen Gesetzbuch zusammengefaßt worden, aber dieses bereits unter Alarich II.(484 - 507) ergänzte und neugefaßte Werk mußte angesichts der seit 507 entschieden veränderten Situation teilweise als überholt erscheinen. Insbesondere war seither die Romanisierung der Goten fortgeschritten, wenn auch die Volkszugehörigkeiten sich immer noch scharf unterscheiden ließen. Aber das Eheverbot beispielsweise, das zwischen Goten und Romanen weiterhin dem Euricianischen Gesetz nach bestand, ließ sich in der Praxis nicht mehr durchsetzen. Tatsächlich gab es Mischehen, und es gab sie auch in den höheren Volksschichten, politisch wären sie aus Gründen der Diplomatie sogar das Gegebene gewesen. So verschwand diese Bestimmung aus den Rechtsbüchern. Eine logische Folge der Veränderung war, daß auch die rechtlichen Stellungen von Angehörigen beider Bevölkerungsgruppen sich einander annähern mußten. Nachdem man die Ehe zwischen Römern und Germanen gestattet hatte, konnte man nicht gut die Mitglieder einer solchen legalen Verbindung nach grundsätzlich verschiedenem Recht behandeln. Es blieben wohl Unterschiede, die auch im 7. Jahrhundert noch anzutreffen sein sollten, aber es bedeutete Anerkennung der Wirklichkeit, wenn die Gegensätze der Lex Romana Visigotorum Alarichs wahrscheinlich zur Zeit Leowigilds gesetzlich gelindert wurden.
Darüberhinaus sind solche Maßnahmen möglicherweise als Teil eines Plans Leowigilds zur allmählichen Überwindung der nationalen Gegensätze im Reich zu sehen. An diesem Punkt gehen die Ansichten neuerer und älterer Historiker über Leowigild auseinander, obwohl sein Verdienst um die Festigung des Westgotenstaates heute insgesamt unumstritten ist. Das Problem ist die Perspektive, das Licht, in dem man seine gesetzgeberischen und kirchenpolitischen Taten beleuchten will: Die älteren Geschichtsschreiber seit Felix Dahn sehen in ihm offenbar den letzten Vertreter des alten Gotentums, durch dessen Aufbäumen gegen das romanisch-katholische Element die germanische Kultur in Spanien ihren großartigen Abschluß gefunden habe, während die neuere Forschung seine festigenden Maßnahmen eher als machtvolle Neugründung des Westgotenreichs interpretiert, das sich wie alle ostgermanischen Staaten im 6. Jahrhundert vorher in vollem Niedergang befunden habe. Dennoch, so gesteht K.F. Strohecker zu, sei Leowigild eher noch der Spätantike als bereits dem Mittelalter zuzurechnen. Tatsächlich hat sich Leowigild durch seine Politik für die Nachwelt in eine Zwischenstellung begeben, die es schwierig macht, ihn eindeutig einzuschätzen. Insbesondere scheint sich ein Widerspruch aus seinen Bemühungen um nationale Vereinheitlichung und aus dem Verhalten gegenüber dem Katholizismus zu ergeben. Entscheidungen wie die Aufhebung des Mischehen-Verbots mußten und sollten vermutlich eine Verschweißung des gotischen Staatsvolks mit der romanischen Bevölkerungsmehrheit, wie sie im Namen der Stadt Rekkopolis symbolisiert ist, herbeiführen, aber die Härte gegenüber den Katholiken, die im allgemeinen mit den Romanen identisch waren, ging offenbar in die entgegengesetzte Richtung. Dabei ist noch zu berücksichtigen, daß sich Leowigilds Haltung zur gegnerischen Religion gewandelt, d.h. verschärft hat.
Er war zunächst keineswegs ein Feind des Katholizismus, war in erster Ehe ja selbst mit einer Katholikin verheiratet, mit Theodosia, der Tochter eines reichen Byzantiners. Er beaufsichtigte von Anfang an wohl mit gutem Grund! scharf die katholischen Bischöfe, denn ihre Konspiration mit den Feinden des Reiches, sobald sich ihnen eine Gelegenheit dazu bot, war offensichtlich, aber immerhin beließ er ihnen die Freiheit der Kultausübung und ließ sogar zu, daß seine eigenen Söhne Rekkared und Hermenegild frühzeitig durch seine Frau katholisch beeinflußt wurden. So gab es zehn Jahre lang unter Leowigild keine größeren kirchenpolitischen Spannungen, obgleich der König inzwischen mit Godiswintha, einer eifrigen Arianerin, verheiratet war. Man könnte fast meinen, er habe diese wichtige Frage, in der doch immerhin permanent die Möglichkeit tiefer Konflikte lag, bei seinen nationalen und rechtlichen Einheitsbestrebungen außer Acht lassen wollen.
Zum ersten Zusammenstoß und anschließend zur größten Krise in Leowigilds Regierungszeit kam es durch eine politische Heirat, die ursprünglich nach einem besonders gelungenen taktischen Zug aussah. Leowigilds Sohn Hermenegild wurde mit der fränkischen Königstochter Ingunthis verheiratet, die trotz ihrer erst zwölf Jahre bereits eine sehr gefestigte Katholikin war. Auf ihrem Weg vom fränkischen Königshof nach Toledo beeinflußte der septimanische Bischof Phronimius sie noch zusätzlich in der Weise, daß sie hernach auf keinen Fall mehr bereit war, von ihrem wahren Glauben abzurücken und sich dem arianischen Ketzertum zu ergeben. Dadurch entstand eine der ersten offenen Auseinandersetzungen zwischen der katholischen Kirche und Leowigild, der solche Provokationen nicht ungestraft hinnehmen konnte. In Toledo angekommen, fruchteten bei Inguntnis selbst die Gewaltanwendungen von Seiten Godiswinthas nichts. Leowigild nahm zu dieser Zeit eine Mittlerposition zwischen seiner fanatischen Gattin und der störrischen Schwiegertochter ein, obgleich er schon jetzt erkennen mußte, daß man durch diese Heirat keine Annäherung an die Franken erreicht, sondern stattdessen eine einflußreiche Vertreterin des reichsgefährlichen Katholizismus aufgenommen hatte.
Man muß jedenfalls feststellen, daß nicht die familieninternen Zwistigkeiten, sondern eindeutig politische Gründe für den Ausbruch des Religionskonflikts sorgten. Sehr bald nach der Heirat bewog nämlich Ingunthis ihren Gatten zum Übertritt zu ihrem Glauben. Das Paar wurde mit der Verbannung nach Sevilla bestraft, was aber noch keineswegs eine Schmach bedeutete, denn immerhin wurde Hermenegild dort als Präfekt eingesetzt. Bei dieser einen Aufsässigkeit, der Konversion, beließ es der Königssohn aber nicht, sondern ließ sich 579 zum Gegenkönig erheben.
Damit allerdings war für Leowigild der Anlaß gekommen, die unselige Glaubensspaltung, die seinem Streben nach Einheit von Reich, Recht und Glauben noch im Wege stand, endgültig zu beheben. Er entwickelte im Alleingang ein Programm zur Einigung des gesamten Reichsvolks im arianischen Glauben, denn während die nationalen Gegensätze allmählich verschwanden, bestand der religiöse schroff wie eh und je und riß eine Kluft durch die Bevölkerung. Leowigilds Wendung zum Arianiamus war wohl eine Reaktion auf Hermenegilds Rebellion, aber zugleich war sie auch mehr als eine tagespolitisch gebotene Maßnahme. Er ließ den Arianismus wieder in eine ernsthafte dogmatische und praktische Konkurrenz zum ideologisch überlegenen Katholizismus treten, führte ihn noch einmal auf einen erstaunlichen Höhepunkt, bevor er nach seinem Tod dann endgültig in die Versenkung beschieden wurde.
Zunächst entschied sich Leowigild für friedliche Verhandlungen mit dem Aufrührer, statt sofort militärisch gegen ihn vorzugehen; zugleich berief er, 580, eine Synode der arianischen Bischöfe in der Hauptstadt Toledo ein. Auf dieser Synode, die ganz und gar von Leowigilds Absichten und Gedanken beherrscht war, wurden Beschlüsse gefaßt, die deutlich darauf abzielten, der katholischen Glaubenstheorie entgegenzukommen und die Unterschiede zwischen den beiden christlichen Bekenntnissen zu verwischen. Im Ritus wie in der Lehre wurde der Arianismus dem Katholizismus angenähert. Im Kult sollte die gotische durch die lateinische Sprache abgelöst werden: Man verzichtete nun auf die nochmalige Taufe, die zuvor von Konvertierenden verlangt worden war. Vor allem nahm man die Einheit der göttlichen Mächte, die von der katholischen Kirche gelehrt wurde, immerhin teilweise an: Gott und sein Sohn, Jesus Christus, sollten nun ihrem Wesen nach eins sein, nur im Heiligen Geist konnte man immer noch nicht recht die vollständige göttliche Gleichwertigkeit erblicken, weil davon in der heiligen Schrift nichts stehe. Das Ziel der Veränderungen war natürlich, den Katholiken einen Übertritt zum arianischen Glauben zu erleichtern, und zu diesem Zweck griff man auch auf jene Bekenntnisformel zurück, die in der Frühzeit für alle Christen gegolten hatte, die dann aber ab dem 4. Jahrhundert von der orthodoxen Kirche nicht mehr verwendet worden war, da sie zweideutig ausgelegt werden konnte: Gloria patri per filium in spiritu sancto. Die neuere Formel, mit der sich die katholische Kirche von den Arianern absetzen wollte, lautet: Gloria patri et filio et spiritui sancto in diesem Fall ist die Gleichsetzung eindeutig, während das per im älteren Satz tatsächlich Zweifel zuläßt.
Die Beschlüsse des arianischen Konzils waren nicht der Ausdruck religiöser Unsicherheit, wie sie im Grunde überhaupt kaum eine religiöse Haltung, sondern vielmehr Leowigilds politische Absichten ausdrückten. Die Betonung grundsätzlicher Einigkeit schien ihm wichtiger als das Fortführen kleinlicher Haarspaltereien in theologischen Fragen.
Mit Sicherheit sind sie ein Beweis für die Toleranz, mit der die Anhänger des Arianismus, die Leowigild gewissermaßen repräsentierte, der katholischen Lehre und ihren Anhängern gegenüberstanden. Ohnehin hatten sich in der westgotischen Geschichte die arianischen Kirchenvertreter oftmals als tugendhafter und christlicher erwiesen als die katholischen, hatten sich nicht durch Glaubensfanatismus zu Übergriffen gegen Andersgläubige verleiten lassen, wie es nach Leowigilds Tod die Katholiken taten, nachdem endlich ihre Lehre zur Staatsreligion erklärt worden war.
Der Erfolg von Leowigilds neuer Kirchenpolitik war bemerkenswert. Die Quellen, meistens von katholischer Hand stammend, berichten übereinstimmend von häufigen Übertritten, und Gregor von Tours machte sich offenbar ernsthafte Sorgen um den Bestand des Katholizismus im Westgotenreich. Die meisten, auch Geistliche darunter, konvertierten freiwillig, und selbst in Fällen von Strafandrohung oder -anwendung ist nicht von regelrechten Katholikenverfolgungen zu sprechen, da von härteren Maßnahmen allenfalls der Klerus betroffen war. Ohnehin waren die härtesten nachweisbaren Strafen für den Fall, daß der Übertritt verweigert wurde, Verbannung und Einzug von Besitz und Privilegien, anderslautende Behauptungen Gregors von Tours werden von heutigen Historikern als massive Übertreibung zurückgewiesen.
Die Aktionen zur arianischen Bekehrung des Volkes waren in vollem Gange, als sich Leowigild 582 endlich doch darauf verlegte, Hermenegilds Empörung militärisch niederzuschlagen. Im Reich gab es unter den führenden Köpfen sowieso kaum Unterstützung für die Anmaßung Hermenegilds. Auch gestandene Katholiken wie Gregor von Tours, Johannes von Biclaro und Isidor von Sevilla mochten sie nicht rechtfertigen, dafür war der Ruhm Leowigilds schon zu seiner Zeit zu gewaltig, als daß eine Auflehnung gegen ihn nicht jedem wie ein politischer Frevel erscheinen mußte. Allerdings erfreute sich Hermenegild natürlich sogleich zumindest der geistigen Unterstützung durch die äußeren Feinde der Westgoten und ihre Kollaborateure im Innern. Die Sueven ergriffen die Gelegenheit zu einem neuerlichen Eintritt ins Licht der Geschichte, und auch die Byzantiner waren auf der Seite des Empörers, unter dem Vorwand, damit für die katholische Sache einzutreten, allerdings ohne aktiv werden zu können, da dem Kaiser durch Perser- und Langobarden-Kämpfe zu Genüge die Hände gebunden waren. Die Franken konnten ein weiteres Mal durch geschickte Diplomatie und durch Heiratsverhandlungen aus dem Geschehen herausgehalten werden.
So mußten also die Sueven und die Hermenegild zugefallenen Städte niedergeworfen werden, als wichtigste davon Cordoba und Sevilla. Die Kämpfe dauerten zwei Jahre, dann fiel Sevilla, und nachdem das Zentrum des Widerstandes geschlagen war, löste sich die ganze Empörung weitgehend auf. Durch Bestechung eines byzantinischen Festungskommandanten konnte Hermenegilds letzte Fluchtburg genommen werden. Der Tyrann wurde 584 gefangen genommen, nach Valencia verbannt und dort ein Jahr später unter mysteriösen Umständen getötet. Seine Gattin Ingunthis und der kleine Sohn Athanagild kamen 584 auf der Flucht nach Konstantinopel ums Leben. Hermenegild und seine Familie starben aber nicht als christliche Märtyrer, dazu wurden sie erst aus zeitlicher und räumlicher Distanz von Papst Greger dem Großen gemacht.
So ging auch aus dieser Bedrohung das Westgotenreich und sein Königtum unter Leowigild als glänzender Sieger hervor. Die Auflehnung des Königssohnes endete mit einem triumphalen Sieg Leowigilds und seines arianisch-nationalen Staatsgedankens.
Der Ausgang der Rebellion zog ab 585 diplomatische Schwierigkeiten mit den fränkischen Königshöfen nach sich. Dort wollte man das Schicksal der Königstochter nicht hinnehmen, fühlte sich durch die ewigen taktischen Hinhaltungen betrogen und konnte sich wohl auch nicht damit abfinden, daß das Westgotenreich immer noch bis nach Gallien hineinreichte. Im Frankenreich rüstete man also zum großen Angriff, aber die Unternehmung fiel schon frühzeitig in sich zusammen, so daß sie von Leowigilds Sohn Rekkared als Feldherr leicht zurückgeschlagen werden konnte. Auch eine abermalige Erhebung der Sueven fiel in das Jahr 585, aber statt eine Ausdehnung ihres Herrschaftsbereiches auf der spanischen Halbinsel zu erreichen, verloren die Sueven in diesem Kampf ihre Selbständigkeit. Ihr Reich hatte 176 Jahre bestanden, aber nun fiel die Niederlage so katastrophal aus, daß das Suevenreich westgotische Provinz wurde und sich niemals wieder aus der Unterwerfung erhob. Damit erreichte der Westgotenstaat seine bisher größte räumliche Ausdehnung, die nur noch durch die Rückeroberung der byzantinischen Südostküste zu steigern war.
Leowigild hinterließ, als er im April 586 nach längerer Krankheit starb, ein geordnetes, weitgehend befriedetes und vor allem gestärktes Reich. Seine Leistungen als Feldherr und Staatsmann stachen schon in den Augen der Zeitgenossen hervor, und auch die moderne Geschichtsschreibung sieht in ihm eine der eindrucksvollsten Herrscherpersönlichkeiten der Völkerwanderungszeit und der daraus entstandenen Germanenreiche. Bei Isidor heißt es, zu seinem Lobe, aber von katholischer Warte aus einschränkend: Nur der Irrtum der Ketzerei verdunkelte den Ruhm solcher Tapferkeit.
Die damit gemeinte von Leowigild initiierte Wiedererstarkung des Arianismus scheiterte bald nach seinem Tod. Sein Sohn und Nachfolger Rekkared erreichte die religiöse Einigung der römischen und der gotischen Bevölkerung auf dem entgegengesetzten Weg, nämlich durch Übertritt und die Einführung des Katholizismus als Reichsreligion. Dieser Weg war gewiß der einfachere, weil die Anhängerschaft des Arianismus entsprechend dem nationalen Proporz kleiner war, trotz der Erfolge Leowigilds, auch war sie weniger unbeweglich. Rekkareds Schritt war auf den ersten Blick effektiver als die Anstrengungen des Vaters, erreichte aber nicht das Ziel, das Leowigild wohl vor Augen gestanden hatte: sich in der einigen Staatskirche eine dauerhafte Stütze des Königtums zu schaffen, als König selbst der oberste Religionsherr zu sein und die Linie der Bischöfe zu bestimmen. Dieses Ziel wäre nur durch den arianischen Glauben zu erreichen gewesen, nicht durch den Katholizismus, dessen Ausrichtung auf die zentrale Kirchenführung in Konstantinopel die Anerkennung des westgotischen Königs als irdischen Herrn der Gläubigen unmöglich machte. Nachdem er von staatlicher Seite nunmehr alleingelassen war, unterlag der alte Glaube bald der neuen Orthodoxie. Das Ergebnis zeigte sich recht bald: Mindestens ab der Mitte des 7. Jahrhunderts wurde die Kirche zum Gegner eines starken Königtums und verbündete sich ob dieses gemeinsamen Ziels mit dem wieder aufgelebten Adel. Nach dem Aussterben des Geschlechts, das sich mit Leowa und Leowigild für drei Generationen den Thron erobert hatte, ließ sich keine erbliche Thronfolge mehr durchsetzen, und es begannen von neuem die altbekannten Thronstreitigkeiten. Die Krone war in den letzten Jahrzehnten des Reiches ein Spielball zwischen machtsüchtigen Aristokraten und ebensolchen Kirchenfürsten, Mord als Methode der Thronerledigung bürgerte sich wieder ein, Wirren und Führerlosigkeit wurden chronisch im Westgotenreich.
Zwar wurde noch unter König Swinthila (621 - 631) Leowigilds außenpolitisches Werk vollendet, indem man die Byzantiner endlich aus Spanien verdrängte, aber schon ein knappes Jahrhundert später hatten die von Afrika herüberkommenden Araber ein leichtes Spiel, dem Staat der Westgoten ein Ende zu machen. Das Reich ging kläglich unter im Jahre 711, nachdem es fast genau 300 Jahre bestanden hatte länger als alle anderen germanischen Staaten, die über den Ruinen des römischen Reiches errichtet worden waren.
B.G. Niebuhr